Editorial

Scheinbar fremd…

 

...wirkt sie auf den, der ihren Namen erstmals hört, den Namen jener Musiktherapie, die das Schwerpunktthema dieser MuG ausmacht: Altorientalische Musiktherapie. Sie assoziiert dem wissenlosen Ahnenden 1001 Nacht und Tage, Zelte, teppichbewandete Räume, offenbar auch für Musiktherapie.

Dabei strömt Altorientalische Musiktherapie (hier AMT) im Delta der verschiedenen musiktherapeutischen „Schulen“ im deutschsprachigen Bereich mit – zeitgleich zu den Anfängen der phämenologischen Musiktherapie(n) mit mal mehr psychoanalytisch mal mehr humanis­tisch­psychologisch orientiertem Hintergrund. Nur unauffälliger und dabei geschichtlich älter als jede tiefenpsychologische Therapie.
Ihr markantestes Alleinstellungsmerkmal (für bestimmte Erkrankungszonen bestimmte Instrumentierungen mit bestimmten Klangsys­temen einzusetzen, also eine Musiktherapie, die zwischen Diagnose­ und Therapieschritten Kausalitäten folgt wie die Schulmedizin) ist keines. Denn auch die uns länger vertraute Anthroposophische Musiktherapie basiert teilweise auch auf kausalitätsbegründeten Gliederungen wie sie Rudolf Steiner dachte. Zum Beispiel:

  • Unterer Mensch (dem menschl.Leib folgend) = Gliedmaßen – menschlicher Wille, mit Rhythmusbetonung/ Percussion zu behandeln
  • Mittlerer Mensch = Brustbereich – menschliches Fühlen – mit harmoniebetonenden Saiteninstrumenten zu behandeln
  • Oberer Mensch = Kopfbereich – menschliches Denken, mit melodiebetonenden Blasinstrumenten zu behandeln

Die Autorinnen und Autoren der Schwerpunktbeiträge zeigen nun ein Breitbandspektrum musiktherapeutischen Handelns in der AMT und dessen Hintergründe mit all den Merkmalen, die andere Musiktherapien aufweisen: Verschiedenheiten der Wahrnehmung altorientalischer Musiktherapie zwischen den Gründungsvätern und nachfolgender jüngerer Mütter (die Beiträge der zwei deutschen Musiktherapeutinnen Konstanze Ihle und Karin Holzwarth) und des hierzulande wichtigsten Multiplikators (Dr. Gerhard Tucek). Sodann Verschiedenheiten innerhalb des Grundkonzepts und weiter die Konfrontation jeder älter werdenden Etablierung der Ausbildung(en) in altorientalischer Musiktherapie mit konstruktiv­kritischer Kontroverse (Raymund Burghardt).
Dem Neugierigen mögen die Praxisakzente der Altorientalischen Musiktherapie auch im Beitrag von Herbert Walter deutlicher werden in der Rubrik „Klinikspaziergang“. Dieser bezieht ebenfalls Altorientalische Musiktherapie mit ein. Neben der Information für die Neugierigen möge die Alt­Gierigen unter uns der Aufbau von zugehöriger Theorie interessieren. In jedem Fall sollte Altorientalische Musiktherapie mehr als bisher in dem Verbund der deutschsprachigen Musiktherapien im kollegialen Netzwerk mitgedacht werden.
Unter „Klinikspaziergang“ findet sich auch der Beitrag von Kerstin Sievers zum „Kinderhospiz“, der geplant war zum letzten Schwerpunktthema „Musiktherapie in Hospiz und Palliativmedizin) und eigentlich mit seinem Kontext nie nur in einem Schwerpunktthema Raum finden sollte. Sondern immer wieder.
Die ansonsten bisher vertrauten Rubriken sind erweitert worden durch eine neue: „Hochschulnachrichten“, zu deren Fütterung die Ausbildungsinstitutionen weiter herzlich eingeladen sind. Das mit Informationen „Klappern“ gehört keineswegs nur zum Geschäft dieser Welt, sondern zunächst zur Musik im weiteren Sinne.

 

Ihr
Hans-­Helmut Decker-Voigt