Zum Mitmachen

Der Weg als Ziel – eine Gehmeditation

Von Sabine Ritter


In dieser Ausgabe möchte ich Sie mitnehmen auf einen Weg, möchte Sie anregen, mich bei einer tönenden, atemgeleiteten Gehmeditation zu begleiten. Sie lässt sich in einem etwas größeren Raum durchführen, ist aber auch wunderbar geeignet für die Natur, beispielsweise auf einer Wiese im Freien.
Gehen Sie langsam und gleichmäßig, beginnen Sie mit dem linken Fuß:


    1      –        2      –        3       –        4
Schritt   –    Schritt   –    Schritt   –    Pause
Links    –    rechts    –    links      –    re. neben den li. Fuß

In der Pause stellen Sie den rechten neben den linken Fuß ab, damit Sie danach im gleichmäßigen Takt mit dem linken Fuß weitergehen können. Verbinden Sie nun die Schritte mit Ihrem Atem und lassen bei den Schritten 1, 2 und 3 den Ausatem mit einem weichen „fff“ zwischen den Lippen hörbar ausströmen:


   1    –      2      –      3     –        4
Aus    –    aus    –    aus    –    loslassen


In der Pause entspannen Sie den Bauch, so dass der Einatem ganz von alleine durch den geöffneten Mund in Sie „hineinfällt“. Vertrauen Sie darauf, dass es gar nicht nötig ist, Luft zu „holen“, denn tatsächlich haben Messungen gezeigt, dass der Einatem nur 1/10 Sekunde benötigt, um die gesamte Menge der zuvor ausgeatmeten Luft vollkommen mühelos wieder bereit zu stellen. (Wenn Sie anstelle dessen in der Pause aktiv Luft holen, so benötigen Sie dafür Muskelkraft und dies dauert erheblich länger.) Gehen Sie in dieser Schrittfolge nun einige Minuten lang langsam und gleichmäßig: drei Schritte vor, einen Schritt innehalten. Sie können sich diese Art des meditativen Gehens als Metapher für den Lauf der Jahreszeiten oder auch der Lebensalter vorstellen:


Frühling – Sommer – Herbst – Winter
Sähen – wachsen – ernten – ausruhen


Beobachten Sie, welche Wirkung die Pause, das Innehalten auf dem vierten Schritt auf Sie hat: Werden Sie unruhig und möchten Sie am liebsten sogleich weitergehen, ist sie Ihnen zu lang oder zu kurz? Verändern Sie das Schritttempo und die Schrittlänge so lange, bis sich allmählich ein angenehm ruhiger, gleichmäßiger Fluss Ihrer Schritte und Pausen einstellt. Gehen Sie auf diese Weise einige Minuten lang, richten sie dabei zunehmend Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Fußsohlen.1)
Lösen Sie sich nun von der vorgegebenen Vierer-Abfolge und probieren Sie aus, wie weit Ihr Ausatemstrom Sie mühelos gehen lässt: Vielleicht reicht er ohne Anstrengung für 5 oder 7 Schritte aus? Finden Sie Ihre eigene Schrittanzahl heraus und vergessen Sie dabei nicht, auch die Pause immer wieder einzulegen. Wie wäre es, auf diese Weise auf ein Ziel zuzugehen und dabei den Ausatem als ruhig und gleichmäßig vorwärts­treibende Kraft zu nutzen, im Vertrauen darauf, dass in den regelmäßigen „Verschnauf“-Pausen der Einatem wie von alleine geschieht?
Und nun nehmen Sie Ihre Stimme mit hinzu und lassen nach der nächsten Schrittpause im Vorwärtsgehen mit dem Ausatem einen Ton hörbar werden. Vermutlich werden Sie überrascht sein, dass Ihr klingender Ausatem Sie nun plötzlich viel weiter trägt als zuvor. Lassen Sie sich tönend und schreitend mitnehmen auf neue Wege, zu neuen Zielen. Experimentieren Sie dabei ein wenig mit Ihrer Stimme, indem Sie in jeder Pause einen neuen Ton entspringen lassen: Welche Tonhöhe trägt Sie am weitesten, mit welcher fühlen Sie sich am wohlsten? Welcher Vokalklang, welche Klangfarbe passt zu Ihrer momentanen Stimmung? Kommt Ihnen vielleicht eine Melodie in den Sinn, die Ihre Gehmeditation ein Weilchen begleitet?
Lassen Sie abschließend einige Minuten lang in Stille sitzend diese Erfahrung nachklingen. Vermutlich haben Sie hier und da Entdeckungen gemacht, die sich auf Ihre Alltagserfahrungen übertragen lassen.

Herzlichst,
Ihre Sabine Rittner

1) Wenn Sie sich in diesem ersten Teil A) der Gehmeditation von Musik begleiten lassen möchten, so eignet sich beispielsweise der Kanon in D-Dur von Pachelbel recht gut dafür.

Die Autorin:

Sabine Rittner
Musikpsychotherapie, Atem-, Stimm- und Körpertherapie, Hypnotherapie, Traumatherapie. Tätig am Institut für Medizinische Psychologie der Universitätsklinik Heidelberg und in freier Praxis. Forschungen, Veröffentlichungen, Vorträge und Seminarangebote, schwerpunktmäßig zu den Themen „Stimme“, „Klang“ und „Trance“, finden Sie unter:
www.SabineRittner.de,
künstlerische Arbeiten unter:
www.SabineRittner-Kunst.de
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