Praxisvorstellung

Musiktherapeutische Praxis ‚Ritardando‘, Soest

Von Dorothea Dülberg

 

Herzlich willkommen!
Mein Name ist Dorothea Dülberg, ich bin Musiktherapeutin DMtG. Auf den folgenden Seiten führe ich Sie in einem Rundgang durch meine Arbeitsräume und berichte von meinen Erfahrungen in einer privaten musiktherapeutischen Praxis.
2009 war ich in der glücklichen Lage, das Projekt einer privaten Praxis für Musiktherapie im eigenen Haus realisieren zu können. Die alte Stadtvilla – Baujahr 1911 – mit hohen Räumen, großen Fenstern und viel Platz lud geradezu ein, hier kreativ zu werden. Soest hat eine historische Kernstadt und ist umgeben von einer weitläufigen Bördelandschaft. Nordöstlich erstreckt sich das Münsterland, im Westen schließt nach wenigen Kilometern das Ruhrgebiet an. Die Praxis liegt in unmittelbarer Nähe zur mittelalterlichen Altstadt mit ihren vielen Kirchen, Fachwerkhäusern und kleinen Gassen. Vom Bahnhof ist die Praxis fußläufig zu erreichen, von der A 44, Abfahrt Möhnesee, liegt sie nur wenige Autominuten entfernt.

MuG: Welche Situation Ihres musiktherapeutischen Berufslebens lag vor der Eröffnung Ihrer ambulanten Praxis?
Zum Zeitpunkt der Praxiseröffnung war ich nach Berufstätigkeit als Dipl. Religionspädagogin in Schule, pastoraler Arbeit und Erwachsenenbildung schon seit vielen Jahren freiberuflich als Rhythmikerin im Elementar- und Primarbereich mit den Schwerpunkten ‚Wahrnehmungsförderung und soziale Integration‘ sowie in der Erzieherinnen- und Lehrerfortbildung in vielen Einrichtungen tätig. Als graduierte Klinische Musiktherapeutin (FPI) gab es bereits Kooperationen mit der Diakonie in der Trauerbegleitung für Jugendliche, mit einer kinder- und jugendpsychiatrischen Tagesklinik sowie mit mehreren Familienzentren.

MuG: Wie sind Sie zu dem Beruf der Musiktherapeutin gekommen?
Nach meinem Abitur 1982 war die Musiktherapie mein Traumberuf – und es fehlte der Mut, ihn zu realisieren. Ich informierte mich über die zu der damaligen Zeit möglichen Ausbildungswege – packte alle Infos in eine Kiste und wurde Religionspädagogin. Die Kiste kam bei allen Umzügen meines Berufslebens und schließlich auch nach Soest mit. Ich habe von klein auf Musik gemacht und Musik als große Ressource für mich erlebt. Akkordeon- und Klavierunterricht, Oratorienchor, Gitarre und Folkmusik im Studium, eindrückliche Erfahrungen mit Musik der Basisgemeinden Brasiliens während eines Auslandsjahres im Studium und Taketina-Percussionstraining in Wien waren prägende Wegmarken. Dass in der Musik auch vieles Unaussprechliche zum Klingen kommen kann, war zu Beginn meiner professionellen musiktherapeutischen Ausbildung gelebte Lebenserfahrung aus vier Jahrzehnten.

MuG: Erzählen Sie bitte von der Konzeption und den Rahmenbedingungen Ihrer Praxis.
Meine musiktherapeutische Arbeit ist im Wesentlichen durch die Kernkonzepte der Integrativen Therapie fundiert und um die Methoden Guided Imagery and Music (GIM) sowie Musikimaginative Schmerzbehandlung (MusIS) bereichert. Aus der Integrativen Therapie hat für mich das Konzept des life span development approach einen besonderen Stellenwert: Möglichkeiten lebenslanger Veränderung und Weiterentwicklung nehmen hier den ganzen Reichtum menschlicher Entwicklungen in den Blick und ermutigen zu Verantwortung für humane Gestaltung aller Lebensabschnitte. In diesem Sinne versteht sich die Integrative Therapie als Weg und Therapie als Wegbegleitung. So verstehe ich auch die integrative Musiktherapie als kokreative Therapie in doppelter Expertenschaft: Klienten oder Patienten und Therapeutin gestalten einen gemeinschaftlichen kokreativen Prozess der Therapie, um „Förderung und Entwicklung in prekären Lebenslagen“ (Petzold, Integrative Therapie) anzuregen.
Konzepte der Leiblichkeit und persönlichen Souveränität sehe ich hier als Grundpfeiler der sozialen Interaktion. Die musiktherapeutische Arbeit findet statt in einem Klima der Wertschätzung unter Nutzung der Selbstregulationskräfte des Patienten und fördert im Prozess der künstlerischen Therapie das individuelle Problemlösungspotenzial. Musiktherapie ist somit komplexes Lernen im Zyklus von Wahrnehmen – Wahrnehmungsverarbeitung – Handeln – Wahrnehmen/Verarbeiten dieses Handelns. Meine Arbeit umfasst auch die beständige Auseinandersetzung mit Referenztheorien zu Kognition, Emotion und Willensbildung und ihre Übertragung in die musiktherapeutische Praxis.
So war es für mich folgerichtig in meiner Praxis Musiktherapie für Menschen unterschiedlicher Altersstufen anzubieten. Zusätzlich mache ich mich auch im Laufe einer Arbeitswoche mehrfach auf den Weg zu Menschen in verschieden Lebenssituationen in Institutionen oder in ihrem Zuhause. In einer Privatpraxis stellt sich natürlich immer die Frage der Finanzierung. Vor allem im Kinder- und Jugendbereich haben sich dazu verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Kostenträgern entwickelt.

MuG: Wie sind Ihre Praxisräume eingerichtet? Nach welchen Kriterien haben Sie sie gestaltet?
Eigene Therapieräume einrichten zu dürfen ist ein Privileg und war für mich eine echte Herausforderung. Ich versuchte ein Raumkonzept zu entwickeln, das für Menschen verschiedener Lebensalter einladend wirkt. Viel Luft durch hohe Decken, gute Lichtverhältnisse und Bewegungsfreiheit waren dabei wichtig. Blickfang im Hauptraum ist ein großer runder leerer Teppich in der Mitte. Hier arbeite ich mit Kindern und Jugendlichen. Der Teppich lädt ein zu Instrumentenskulpturen und aktiver Improvisation. In diesem Hauptraum befinden sich die meisten Instrumente. Eine bequeme Couch wird für Guided Imagery and Music und Entspannungsverfahren gebraucht. Im Nebenraum gibt es einen Kurzflügel und einen Schrank mit Gestaltungsmaterial. Von diesen Materialien werden die Tierhandpuppen am häufigsten eingesetzt – vor allem mit Kindern und Jugendlichen. Papier und Farben stehen bereit für Resonanzbilder, insbesondere für Mandalas in GIM-Behandlungen.

MuG: Mit welchen Anliegen, Leiden oder Krankheiten können sich Menschen an Sie wenden?
Im Bereich der Musiktherapie mit Kindern und Jugendlichen gibt es eine Kooperation mit einer Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Schwerpunkt meiner Arbeit sind hier emotionale Störungen und ADHS. Außerdem kommen Jugendliche in Krisensituationen selbstinitiativ in meine Praxis sowie Kinder und Jugendliche, die besondere Schicksale erlitten haben und deren Therapie von Jugendämtern unterstützt wird. Im Erwachsenenbereich sind es vor allem Menschen mit depressiver Symptomatik, Erschöpfungszuständen, Anpassungsstörungen und psychosomatischen Beschwerden. Besondere Aufmerksamkeit widme ich in meiner Arbeit intergenerationalen Themen. Die genannten Methoden GIM und MusIS integriere ich je nach Indikation in die individuellen Therapien. Als Lehrmusiktherapeutin begleite ich auch Studierende in ihren Lernprozessen. Außerdem arbeite ich gruppenmusiktherapeutisch in einem Familienzentrum im sozialen Brennpunkt. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit liegt an der Schnittfläche zwischen Musikpädagogik und Musiktherapie: Für eine Musikschule entwickle ich kontinuierlich Gruppenkonzepte zur ‚Musikalischen Früherfahrung‘ weiter und bilde Pädagogen fort. So unterschiedlich die Lebensalter und Anliegen, so unterschiedlich sind die Methoden und Techniken der aktiven und rezeptiven Musiktherapie in meiner Praxis und es ist diese lebendige Fülle, die mich wirklich am Beruf der klinischen Musiktherapeutin fasziniert.

MuG: Wie klingt die Musik, die Sie mit Patientinnen machen oder die Sie ihnen vorspielen?
Die Musik reicht vom Lautieren mit einem am Dravet-Syndrom erkrankten Kind über energiegeladene Klangfülle in Gruppenmusiken mit Kindern der kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtung. Es erklingen von Patienten komponierte ‚Schmerzmusiken‘ aus der Musik­ imaginativen Schmerzbehandlung, die manchmal bis an die Grenzen des Erträglichen reichen, genauso wie die ebenfalls von Patienten komponierten ‚Linderungsmusiken‘. Jugendliche bringen alle Stilrichtungen an populärer Musik mit und in GIM-Therapien erklingen sinfonische Werke aus dem Abspielgerät. In der aktiven Improvisation kommen leicht spielbare Instrumente von der Babyrassel über Psalter bis zur Big Bom zum Einsatz. Ich spiele Erinnerungsmusiken auf dem Akkordeon mit Patienten oder pflege meine eigene Musik mit Transkriptionen klassischer Musik für das klassische Akkordeon nach Feierabend – auch in diesem Raum.

MuG: Könnten Sie ein Beispiel aus einer besonderen Therapie erzählen?
Ich erinnere mich an einen besonders berührenden mehrjährigen Therapieprozess: Ein nach frühkindlicher Misshandlung geistig behinderter und schwer sehbeeinträchtigter 14jähriger Junge kam durch Initiative seiner Pflegemutter in die Praxis und entdeckte Musik als sein Lebensthema – nachdem er wegen aggressiven Verhaltens von der Schule suspendiert worden war. Er lechzte förmlich nach Musik, griff jede angebotene Melodie auf, konnte sie harmonisch erfassen und spielte sie auf Tasteninstrumenten – für sich, autonom. In einem langen feinschrittigen Prozess von Abstimmungen, Strukturierungen, Grenzsetzungen und Potenzialentwicklung entdeckte er, dass Musik Menschen verbinden kann. Sein jetziges Ziel mit 17 Jahren ist es, eines Tages in einer Band spielen zu können – als Schlagzeuger, denn das hat er mittlerweile auch (aber nicht bei mir) gelernt.

MuG: Welche Idee im Bereich der Musiktherapie würden Sie gern verwirklichen, wenn Sie ausreichend Zeit und Mittel hätten?
Im Augenblick beschäftige ich mich im klinischen Bereich mit den Chancen, die Musiktherapie für Kinder haben kann, die dauerhafte Schädigungen erlitten haben, weil ihre Mütter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken haben. Das Leid der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen beim sogenannten ‚Fetalen Alkoholsyndrom (FASD)‘ ist immens. Die öffentliche Wahrnehmung dieser Erkrankung ist bislang kaum gegeben, die Forschung zu möglichen Linderungsbehandlungen (denn Heilung kann es hier nicht geben) steht noch ziemlich am Anfang. Die Erfahrungen, die ich in meiner Praxis machen konnte, weisen für mich darauf hin, dass Musiktherapie wichtige Entwicklungsimpulse geben kann. Zeit und Mittel für diese Forschung zu haben, wären mir ein Anliegen.

 

Die Autorin:

Dorothea Dülberg
Klinische Musiktherapeutin (FPI), seit 2008 in eigener Praxis tätig. (Lehr-)Musiktherapeutin DMtG, Dipl. Religionspädagogin, Psychotherapie (HP), staatl. anerk. Erzieherin, Rhythmikpädagogin (BWR), Therapeutin für ‚Guided Imagery and Music‘ und ‚Musikimaginative Schmerzbehandlung‘, Mitglied der Regionalvertretung NRW der DMtG und der Redaktion ‚Jahrbuch‘ der DMtG, nebenberuflich tätig als Musikpädagogin für klassisches Akkordeon.

Kontakt:

Dorothea Dülberg
Praxis ‚Ritardando‘
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59494 Soest
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