Praxisvorstellung

Musiktherapeutische Praxis in Muttenz/Schweiz

Von Hans Peter Weber

 

Liebe Leserin, lieber Leser,
gerne möchte ich Sie zu einer kleinen Reise einladen, zu einem Ausflug in die Welt der Musiktherapie, konkret: zu einer Phantasie-Reise in meine Praxis und zu meiner Arbeit als Musiktherapeut.
Doch bevor ich Sie dahin begleite, möchte ich mich Ihnen vorstellen: ich bin in Bern aufgewachsen, habe an der Musikakademie Basel Alte Musik und Cembalo studiert und unterrichte daselbst seit fast vierzig Jahren angehende MusikerInnen. Vor sechs Jahren habe ich mein Musiktherapiestu­dium abgeschlossen und arbeite seither in freier Praxis in der Nähe von Basel. Ich bin verheiratet, Vater zweier erwachsener Kinder und mit meinen 61 Jahren glücklicher Großvater zweier Enkelkinder.
Menschen auf ihren ‚Entdeckungsreisen‘ am Instrument begleiten zu dürfen, war schon früh mein inniger Wunsch – und wo die Reise nicht einfach von hier nach dort, nicht nur über sonniges Weideland, sondern auch durch unwegsames Gelände führte: gerade da regte sich in mir jeweils besonderes Interesse, spürte ich viel Geduld und Leidenschaft. Was Wunder also, dass ich schließlich auch noch Musiktherapeut geworden bin!
Treten Sie ein!
Beim Eingangstor unseres Gartens begrüße ich Sie und bitte Sie einzutreten: in meinen hellen, schlicht eingerichteten Arbeitsraum mit seiner Fülle unterschiedlichster Instrumente: Röhrenglocken, Gongs, Trommeln, zwei Monochorden, allerlei kleineren In­strumenten… Ob Ihnen der Anblick eines Musiktherapie-Raumes vertraut oder ob er für Sie neu ist? Wie dem auch sei: nehmen Sie Platz, nehmen Sie sich Zeit anzukommen, auszuatmen, sich umzuschauen.
Allmählich kommen wir ins Gespräch. Ich höre Sie fragen: nach der Gestaltung meines Arbeitsraumes – nach den Instrumenten: wie sie verwendet werden, wozu sie dienen – wie die Musik ist, die hier erklingt – was es denn eigentlich ist, was in der Musiktherapie wirkt – an wen sich mein Angebot richtet, mit welchen Anliegen, Leiden und Krankheiten sich Menschen an mich wenden können.


Arbeitsraum und Instrumente
Bei der Einrichtung meines Arbeitsraumes – der ‚äußeren Hülle‘ für therapeutisches Arbeiten – habe ich da­rauf geachtet, dass er Wärme ausstrahlt, zum Ankommen einlädt, zugleich jedoch weiträumig, offen und freilassend wirkt.
Über die Instrumente könnte ich viel erzählen – doch: haben Sie Lust, einige selber auszuprobieren? Welche locken Sie denn: große, kleine, Schlag-, Zupf-, Melodieinstrumente, das Klavier? Ach so, ja, Sie haben sie nicht spielen gelernt. Nun, das ist hier auch nicht Voraussetzung: Klänge erzeugen können wir auch ohne Spieltechnik im klassischen Sinne. „Aber was bringt das?“, fragen Sie, „bloß Instrumente zu bespielen, heilt doch nicht!“ Stimmt – und Ihre Frage ist wirklich berechtigt (wie oft bin ich das von Patienten gefragt worden). Instrumente sind ‚Werkzeuge‘: Sie ermöglichen Erfahren, musikalisches Tun. Im Tun erweist sich, was hier und jetzt wirkend, was Wirklichkeit ist. Und darin liegt, meiner Erfahrung nach, so viel heilendes Potential: im Wahr-nehmen und bewusstwerdenden Erfahren dessen, was geschieht, im Ge-wahr-werden seiner selbst, des Momentes, der Begegnung!
Doch genug der Worte. Sind Sie bereit, sich auf ein Experiment einzulassen?


Freies Spiel
Sie bejahen – und wählen eine Trommel, ich das Klavier. Wir beginnen zu spielen, tasten uns vor. Vielleicht lassen sie auf der Trommel Ihre Hände tanzen, absichtslos, wie es gerade kommt. Vielleicht kommen Sie in ein pulsierendes Metrum, oder in ein sich wiederholendes rhythmisches Muster. Ihre Rhythmen nehme ich auf, gehe mit – entwickle eigene Rhythmen, mal ähnliche, mal kontrastierende. Melodien und Akkorde spiele ich, mal wohlklingend-harmonische, mal schräge und irritierende…
Wir spüren, dass Momente, da wir aufeinander hören und reagieren, besondere Momente sind. Spiellust beginnt sich einzustellen: wir spielen wirklich, werfen einander ‚musikalische Bälle‘ zu, freuen uns, unsere Lebendigkeit so spontan zum Ausdruck bringen zu können. Beide wissen wir nicht, wo das Experiment hinführt – danach aber fragen wir jetzt nicht: es gibt kein Ziel, nichts zu erreichen. Sich im Spiel, sich im Geben und Nehmen zu erleben, ist Sinn in sich, ist Sinn genug. Geht es doch um das, was vielen Patienten so sehr fehlt: spielend zu achtsam-spontanen Begegnungen zu finden!
Die Musik wird ruhiger – leiser – und klingt schließlich aus.
In der nun eintretenden Stille horchen wir eine Weile nach…
Im Gespräch werden wir uns noch austauschen darüber, was wir erlebt haben, wie wir uns fühlten, wie wir uns jetzt fühlen, wohin das Experiment uns geführt hat.


Meine Arbeitsweisen
‚Freie Improvisation‘ nennen wir Musiktherapeuten das, was wir eben getan haben: Unsere Musik ist aus dem Moment entstanden, hat geklungen, wie sie sich hier und jetzt, in der Begegnung von Ihnen und mir ergeben hat. In anderen Momenten, in anderen Begegnungen kann sie ähnlich oder ganz anders klingen: laut, leise, keck, frech, mutig, vorsichtig, draufgängerisch, ängstlich, scheu, dissonant, harmonisch, streng, geordnet, diffus, verwirrend…
Freie Improvisation ist jedoch nur eine von vielen Methoden, die ich einsetze.
Oft arbeite ich mit sogenannten ‚klingenden Systemen‘: Sie (ich erlaube mir, Sie für einen Moment in die Rolle eines Klienten zu versetzen) beschreiben ein bestimmtes Ereignis, ein inneres Bild, eine Lebenssituation. Stellvertretend für Personen, Gefühle, Situationen wählen Sie Instrumente und platzieren sie, Ihren Vorstellungen und Impulsen folgend, im Raum. Nun gehen Sie (oder gehe ich) von Instrument zu Instrument und bespielen es (oder lassen es schweigen): Sie kommen in Kontakt mit Kräften, welche ‚da‘ im Spiel sind, mit der Dynamik, die Ihr Inneres beherrscht. Eindrücklich, wie wir dadurch anders, oft in ganz neuer Weise mit Wirkendem in Berührung kommen.
Weitere methodische Möglichkeiten ergeben sich dadurch, dass ich für den Klienten spiele. Oder wenn ich ihn bespiele: am großen Monochord, auf das er sich hinlegen, Resonanz spüren, in seine Innenwelt eintauchen kann – in eine Klangwelt allerdings, welche sehr unterschiedlich erlebt und wahrgenommen wird. Wie immer in Musiktherapie ist auch hier entscheidend, dass die Erfahrungen im nachfolgenden Gespräch sorgfältig aufgearbeitet und verantwortungsbewusst in den therapeutischen Prozess integriert werden!


Musik und Imagination
Zunehmend arbeite ich mit einer speziellen Methode von Musik und Imagination (siehe Kasten S. 12). Tief in unser inneres Erleben, unser Wahrnehmen, ins Fühlen und Empfinden, in Tagträume und Phantasien, in offene und verborgene Geheimnisse unserer Seele kann uns fachkundig begleitetes Musikhören führen – in nachhaltiger Weise vermögen uns Imaginations-­Erfahrungen mit uns selber in Kontakt zu bringen.
Ein Beispiel: Vor einiger Zeit hat ein Patient davon berichtet, wie er einen nahen Freund im Sterben begleitet hatte – und wie er sich seither erlebt: sich selbst entfremdet, gefühllos, ohne Trauer, ohne Freude. Von seinem Berichten berührt, fragte ich, ob es eine Musik gebe, die er damals gehört, die ihm Kraft gegeben, ihn vielleicht mit dem verstorbenen Freund verbunden hatte. „Ja“, antwortete er spontan, „diese eine Arie aus Bachs Johannespassion! Wie hieß sie nur schon wieder?“ Zusammen suchten wir nach der Musik – und hörten sie schließlich gemeinsam an. Die Musik berührte ihn sehr. Etwas öffnete, veränderte sich. Ganz anfänglich kam er wieder in Kontakt mit seinen Gefühlen. In einer späteren Stunde hörten wir die Arie wieder: nun aber – und das ist entscheidend – mit gleichzeitigem, begleitendem Gespräch. Nochmals anders, differenzierter und tiefer kam er in Berührung mit seinem Erleben, konnte sich, von der Musik gehalten und gefordert, auf seine schwierigen Gefühle einlassen, wieder fühlen, Erkenntnisse gewinnen.


Mein Angebot
Mein musiktherapeutisches Angebot richtet sich an erwachsene Menschen jeden Alters, die in ihrem Erleben und Erleiden, in ihrer Lebensführung, in der Begegnung mit sich und mit Anderen sowie mit ihren existentiellen Fragen Begleitung suchen. Wie oft ringen wir Menschen mit leidvollen Erfahrungen von Verletztsein, von Nichtverstandenfühlen. Wer an Selbstentfremdung, am Verlust von Sinnhaftigkeit und Lebensfreude leidet, braucht einen geschützten Raum: einen Raum des Vertrauens, des Seindürfens, der Resonanz, einen Raum, wo leidvollen Erfahrungen begegnet, seelische Berührung zugelassen werden kann. Wo stummes Leiden und Sprachlosigkeit, wo Un-Erhörtes unsere Lebendigkeit hindert, kann Musik berühren, bewegen, öffnen, Potentiale aufdecken, Leiden bewältigen helfen. Im Grunde geht es darum, hören und horchen zu lernen: auf uns selber, aufeinander, auf die Musik. Menschen darin zu begleiten, ihnen zuzuhören, ihnen im Rahmen meiner Möglichkeiten zu antworten, sehe ich als meine Hauptaufgabe. Für mich als Therapeuten setzt sie fortwährendes eigenes Üben voraus.
Mein Angebot ist psychotherapeutisch orientiert (wobei ich mich der Jung’schen und der Initiatischen Therapie nach Dürckheim besonders verbunden fühle). In Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten begleite ich insbesondere auch KlientInnen in der Zeit nach ihrem Aufenthalt in einer psychiatrischen oder psychosomatischen Klinik (in der Schweiz mit Kassen-Anerkennung im Rahmen der Zusatzversicherung). Zurzeit arbeite ich ausschließlich im Einzelsetting – Gruppen-Angebote werden später dazukommen.


Abschied
Ihr Besuch geht dem Ende entgegen. Gerne möchte ich Ihnen etwas mitgeben, ein Zitat von Gertrud Katja Loos, einer Pionierin der Musiktherapie:
„Musiktherapie weckt nicht nur düstere Anklänge und leidvolle Klagen; sie bringt auch alte Kraft, verschüttete Lust, Lachen, Mut zur Sehnsucht und Wagnis zur Zärtlichkeit hervor.“
Wie wunderbar, wenn in tiefer Not, in schwierigen Situationen, im Beschäftigen mit unlösbar scheinenden Konflikten auf einmal ‚Neues‘ aufbricht, innere Berührung geschieht! Sehr kostbar sind solche Momente: sie ermutigen uns, weiter zu gehen, weiter zu wagen, innerstem Spüren und ‚Wissen‘ zu vertrauen.
Nun verabschiede ich mich in der Hoffnung, dass Ihnen der Besuch in meinem äußeren Raum auch ein wenig Einblick geben konnte in innere Räume, welche Musik und Musiktherapie in uns Menschen immer wieder zu öffnen vermögen.

 

Der Autor:

Prof. Hans Peter Weber
Musiker – Musikpädagoge – Musiktherapeut
Dozent für Gehörbildung, Generalbass und Cembalo an der Fachhochschule Nordwestschweiz
Musiktherapeut in freier Praxis
www.emindex.ch/hans.peter.weber
Weiterbildung in ‚Guided Imagery and Music‘
Praxis-Adresse: Andlauerstrasse 2, CH-4132 Muttenz
hanspeweber(at)gmail.com