Praxisvorstellung

Praxis für Musik- und Klangtherapie, Göttingen

Von Mathias Elsner-Heyden

Stellen Sie sich bitte kurz vor.
Ich heiße Mathias Elsner-Heyden, wohne in der Universitätsstadt Göttingen, in der ich 1960 geboren wurde, bin verheiratet und habe zwei erwachsene Söhne.

Welche Situation Ihres musiktherapeutischen Berufslebens lag vor der Eröffnung Ihrer ambulanten Praxis?

Die Situation vor der Eröffnung meiner ambulanten Praxis zeichnete sich durch eine Vielfalt von musiktherapeutischen Erfahrungen mit den verschiedensten Institutionen und Klientengruppen aus.
Bereits während meines Musiktherapiestudiums bei Prof. Dr. Almut Seidel in Frankfurt (1993–1995) begann ich im Jahr 1994 ein Praktikum in den Göttinger Werkstätten für behinderte Menschen. Das Studium und diese äußerst lebendige musiktherapeutische Arbeit mit Gruppen begeisterten mich so sehr, dass ich mich entschloss, meine Stelle als Sozialpädagoge in der offenen Jugendarbeit aufzugeben und mich zunächst als Musikpädagoge und nach Abschluss des Studiums auch als Musiktherapeut selbstständig zu machen. Neben der Honorarstelle in einer freien Musikschule, in der ich als Gitarrenlehrer und Bandcoach tätig war, setzte ich nun auf freiberuflicher Basis meine musiktherapeutische Tätigkeit in den Göttinger Werkstätten fort. Dort konnte ich Musiktherapie als einen neuen, wichtigen Bestandteil innerhalb der Fördermaßnahmen etablieren. Weiterhin bot ich Musiktherapie in einem psychagogischen Kinderheim mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen an. Es folgte eine Teilzeitstelle in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (Universitätsmedizin Göttingen).
Im Jahre 1999 erhielt ich die Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Dieser Umstand und die ein Jahr zuvor erhaltene Zertifizierung durch den Berufsverband (jetzt DMtG) öffneten mir den Weg in die ambulante Praxis, die allerdings nur einen Teil meiner unterschiedlichen musiktherapeutischen Arbeitsfelder umfasst. Neben dem Gitarrenunterricht ist die Arbeit in den Göttinger Werkstätten und in der Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie weitergegangen. Hinzu kamen später noch die Tätigkeit in der Klinik für Hämatologie/Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen sowie Fortbildungskurse und Workshops, die auf den Klangmethoden nach Peter Hess aufgebaut sind (u.a. für Musiktherapeutinnen und -therapeuten).

Wie sind Sie zu dem Beruf des Musiktherapeuten gekommen?
Schon immer hat Musik in meinem Leben eine bedeutende Rolle gespielt. In unserer Familie wurde viel musiziert und gesungen. Früh habe ich „mein“ Instrument gefunden, nämlich die Gitarre. Ich konnte zu ihr singen, lernte auf ihr zu improvisieren, zu komponieren und mit ihrer Hilfe zu kommunizieren – beim Vorspiel oder Zusammenspiel zu zweit oder in Gruppen. Ich spürte intensiv die Resonanz, die Musik beim Gegenüber auslösen kann. Durch Höhen und Tiefen hat die Gitarre mich immer treu begleitet.
Mit den therapeutischen Aspekten von Musik sowie unterschiedlichen Therapieformen habe ich mich schon während des Sozialpädagogikstudiums auseinandergesetzt. Mein Praktikumsjahr absolvierte ich in einer Familientherapie-Abteilung der Uni Göttingen. Hier festigte sich der Wunsch nach der Synergie von Musik und Therapie als Berufsziel. Während meiner sozialpädagogischen Tätigkeit war Musik ein wichtiges pädagogisches und therapeutisches Element, um junge Menschen zu erreichen und darüber einen vertrauensvollen Kontakt aufzubauen.
Mich faszinierte es, wie das gemeinsame Musizieren im Bandkontext, u.a. mit dem Ziel eines Auftritts, in kurzer Zeit eine enorm positive Auswirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung der ganz unterschiedlichen Jugendlichen hatte. Supervision bekam ich von einer Musiktherapeutin, die später eine meiner Dozentinnen an der FH Frankfurt werden sollte. Ihre Art der musiktherapeutischen Supervision hat mich sehr unterstützt und beinhaltete zudem viele Selbsterfahrungsaspekte.
An dieser Stelle möchte ich noch das Buch „Aus der Seele gespielt“ von Hans-Helmut Decker-Voigt und Eckhard Weymann (Erstausgabe 1991) erwähnen, das ich in dieser Zeit entdeckte. Es hat mir förmlich aus der Seele gesprochen und mich so begeistert, dass ich meinen Weg nun klar vor mir sah und das weiterbildende Studium „Sozialpädagogische Musiktherapie“ in Frankfurt aufnahm.

Erzählen Sie von den Rahmenbedingungen und der Konzeption Ihrer Praxis.
Mein Traum war es immer, eine Praxis im eigenen Haus zu haben. Ich bin sehr dankbar dafür, solch ein freistehendes Haus vor über zwanzig Jahren gefunden zu haben. Meine Praxis ist durch einen separaten Eingang über den Garten zu erreichen. Weiterhin befindet sich in unserem Haus die psychotherapeutische Praxis meiner Frau, die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Ausbilderin für systemische Therapie ist. Die Praxis ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

Wie sind Ihre Praxisräume eingerichtet? Nach welchen Kriterien haben Sie sie gestaltet?
Ein Teil meiner musiktherapeutischen Praxis besteht aus einem „Klangraum“ mit obertonreichen Instrumenten wie Klangschalen, Gongs, Klangwiege etc. In dem anderen Raum befinden sich weitere Instrumente, die häufig in der Musiktherapie eingesetzt werden, und technisches Equipment, mit dem man z.B. mit Mikrofonen singen und aufzunehmen kann. Zusätzlich gebe ich dort Gitarrenunterricht (s. Fotos). Es existiert auch ein Bandraum im Keller, den ich für musiktherapeutische und -pädagogische Zwecke nutzen kann. Innerhalb des musiktherapeutischen Settings kann zwischen den einzelnen Räumen gewechselt werden. Der Klangraum bietet ein ruhiges Umfeld mit Blick in den Garten. Schlicht und natürlich eingerichtet, lädt er zum Entspannen ein. Hier finden u.a. Klangmassagen (Peter Hess-Methode), Klang­entspannungen und kleinere Workshops statt. Im anderen Teil der Praxis findet überwiegend aktive Musiktherapie statt.

Mit welchen Anliegen, Leiden oder Krankheiten können sich Menschen an Sie wenden?
Die Indikation für das musiktherapeutische Angebot in meiner Praxis kann sehr vielfältig sein. Es richtet sich an Menschen aller Altersstufen, denen es u.a. darum geht, sich über das Medium Musik bzw. obertonreichen Klang selbst zu erfahren, an Menschen mit sprachlichen Einschränkungen, emotionalen und sozialen Problemen, Behinderungen unterschiedlicher Art (auch wenn es um das Thema Inklusion geht), psychischen Störungen, Autismus-Spektrum-Störungen, ADHS usw. Es kommen auch Menschen zu mir, die sich Klarheit über ihren weiteren beruflichen oder privaten Weg verschaffen wollen oder gesundheitliche Probleme haben.
Anliegen können sein: Stressprävention, Persönlichkeitsentwicklung, Lösungsorientierung, Verbesserung der Körperwahrnehmung, Erleben von Tiefenentspannung, Kraft schöpfen, Aktivierung, gezielte Unterstützung von Genesungsprozessen und mehr.

Was hilft in Ihrer Therapie? Nach welchem Konzept arbeiten Sie?
In der kulturellen Entwicklung der Menschheit spielte Musik als verbindendes Element schon immer eine bedeutende Rolle. Seit Jahrtausenden ist bekannt, dass Musik und Klang, achtsam und zielgerichtet eingesetzt, die Eigenschaft besitzen, Körper, mentale Ebene und Seele zu harmonisieren und wieder in Einklang zu bringen. In diesem Sinn sehe ich die Musiktherapie als ganzheitliche Therapieform, die die Eigenschaft besitzen kann, das Gesunde im Menschen zu fördern. Nach meiner Erfahrung ist es zudem wichtig, das musiktherapeutische Setting verlässlich zu rahmen: beispielsweise am Beginn und Ende einer Stunde durch entsprechende musikalische Gestaltung oder/und Gespräch, Einbeziehung von wichtigen Bezugspersonen etc.
Im Zusammenhang damit steht mein innerstes Anliegen, mit Musik Brücken zu bauen und Begegnungen zu gestalten. In einer musiktherapeutischen Sitzung heißt das: miteinander in Resonanz zu gehen, eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung aufzubauen, im Sinne von Achtsamkeit zu beobachten und zu empfinden, was ist. Das bezieht sich auf mein Gegenüber, auf mich, auf die Situation. Auf dieser Grundlage kann auch Dissonanzen Raum gegeben werden, die in den Therapieprozess konstruktiv mit einbezogen werden können. Ich möchte meine Klienten/Patienten dort abholen, wo sie stehen und sie ein Stück auf ihrem Weg begleiten.
Nach meiner Überzeugung können sie diesen Weg nur selbst erkennen und eigenständig gehen. Weiterhin möchte ich ihnen helfen und sie dazu motivieren, wieder einen Zugang zu sich selbst zu finden, und ihnen ermöglichen, ihre eigenen Stärken zu entdecken, zu entwickeln und zu nutzen. Ich bin froh, dass ich mich in einer Musiktherapie von einem reichhaltigen Buffet unterschiedlicher Therapieformen bedienen kann, um so möglichst individuell auf den Klienten eingehen zu können. Unterstützend kommen die Erfahrungswerte dazu, die ich in den vielen Jahren meines Berufslebens sammeln konnte als Musiktherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und nicht zuletzt auch als Sozialpädagoge und Musiker.

Wie klingt die Musik, die Sie mit Patienten machen oder die Sie ihnen vorspielen?
Die Musik, die ich mit Menschen mache, die eine sogenannte geistige Behinderung haben, ist oft sehr fröhlich und laut: Es wird getrommelt, geklappert, getönt und gesungen. Kindliche Freude drückt sich hier aus, und mit viel Spaß wird über Stimme und leicht zu spielende Instrumente miteinander improvisiert. Aber auch andere Stimmungen wie Trauer oder Sehnsucht können sich in der gemeinsamen Musik widerspiegeln. In einigen meiner selbst komponierten und speziell auf die Gruppen zugeschnittenen Begrüßungs- und Schlussliedern ist teilweise vorgegeben, dass alle leiser werden, wenn sich der eine oder die andere traut, mit dem jeweiligen Instrument ein kleines Solo zu spielen. Ich begleite hierbei zusätzlich mit der Gitarre. Andere Gruppenmitglieder, die sich sonst gerne in den Vordergrund spielen, lernen so, sich zurückzunehmen. Je nach Musikgeschmack werden Lieder aus unterschiedlichen Genres zu meinem Gitarrenspiel auf Instrumenten improvisiert oder gesungen – von Volksmusik bis Rock – oder auch Lieblingslieder aus den Charts, die zu mitgebrachten CDs häufig auch über Mikrofon vorgetragen werden.
In der Einzeltherapie mit Kindern und Jugendlichen warte ich meistens ab, was sie an Wünschen oder Themen mitbringen. Kinder, die sich sehr lebendig zeigen (oft wird das mit der Diagnose ADHS umschrieben), suchen sich häufig gerne ihr Lieblingsinstrument aus und lassen erst einmal ihre „übersteigerte“ Energie bzw. Unruhe heraus. Dann trommeln wir gemeinsam oder spielen ein Begrüßungslied auf Klavier oder Keyboard und Gitarre, bevor es ruhiger und entspannter wird. Das bereitet den Kindern oft sichtlich großes Vergnügen und wir sind schon zu Beginn der Stunde gut aufeinander „eingespielt“ bzw. „eingeschwungen“. Manchmal singen wir zusammen, tönen oder machen Geräusche (sehr beliebt: Tierstimmen). Mit Menschen, die an einer Krebserkrankung leiden, arbeite ich mit Klangschalentherapie. Die auf dem bekleideten Körper positionierten Schalen „sprechen“ mit ihren Klängen und Schwingungen sowohl über das Hören/die auditive Wahrnehmung als auch über den Körper/die taktile Wahrnehmung an. Diese Methode wird als wohltuend und entspannend wahrgenommen. In alle meine musiktherapeutischen Arbeitsfelder beziehe ich Klangschalen und teilweise andere obertonreiche Instrumente in aktiver (Klangspiele oder Wahrnehmungsübungen in der Gruppe oder einzeln) oder passiver Form (Klang- und Fantasiereisen, Klangmassage) mit ein.

Schildern Sie bitte eine typische Situation aus Ihrem Berufsalltag.
Es ist sehr beglückend zu erleben, wie regelmäßig schon bei den ersten Klängen eines ihnen vertrauten Begrüßungslieds ein Leuchten in den Augen der Musiktherapiegruppen-Teilnehmer auftaucht und der Funke sofort überspringt. Unabhängig von der vorherigen Stimmung, von körperlichen oder sprachlichen Einschränkungen wird mit viel Freude und Energie musiziert und/oder gesungen. Das geschieht ebenfalls häufig in der Einzeltherapie mit Kindern. In der Klinik erlebe ich in der Arbeit mit Krebspatienten (meistens bettlägerig) wiederum fast immer, dass die allerersten Klangschalen-Klänge, die sie hören, sofort eine Resonanz hervorrufen, in die Entspannung und in die Stille führen und eine ganzheitliche positive Körpererfahrung ermöglichen.

An welche besonders schwierige, lustige oder glückliche Situation können Sie sich erinnern?
Einem achtjährigen Jungen, der eine Störung aus dem Autismus-Spektrum aufwies, wurde in der Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie Musiktherapie empfohlen.
Während der ersten Musiktherapiestunde lief Kim (Name geändert) immer wieder unruhig durch den Raum. Immer wenn sich unsere Blicke streiften, sah er sofort weg. Aber er nahm über verschiedene Trommeln, Perkussion- und Stabspielinstrumente Kontakt zu mir auf, indem er einmal für den Bruchteil einer Sekunde das jeweilige Instrument berührte oder mit einem Schlägel anschlug. Auch interessierte er sich für den Fen-Gong und Klangschalen. Die Eltern, mit denen ich anfangs noch einige Informationen austauschte, waren einverstanden, ins Wartezimmer zu gehen. Kim zeigte keine Reaktion, als sie den Raum verließen. Er war immer noch unruhig und lief umher. Da er sich unter anderem für Klangschalen interessiert hatte, tönte ich nun eine davon sanft an, was sofort Wirkung zeigte. Das unruhige Kind setzte sich auf einen Stuhl, sah und hörte mir interessiert zu. Dabei entspannte sich Kim zusehends und wich meinem Blick nicht mehr aus. Als ich daraufhin zur Shruti-Box Obertongesang anstimmte, setzte er sich zu mir auf den Boden und nahm zusätzlich Kontakt mit mir auf, indem er auf einem Stabspiel zu meinem Gesang improvisierte. Dann nahm er die am Boden liegende Gitarre und zupfte darauf. Synchron zu seinem Rhythmus improvisierte ich nun ebenfalls auf einer zweiten Gitarre. Plötzlich lehnte er seinen Kopf an ihren Korpus und strich kurze Zeit später rhythmisch über deren Saiten, während ich die Akkorde griff. Diese Art der Begegnung mit einem autistischen Menschen berührte mich sehr.

Welche Idee im Bereich der Musiktherapie würden Sie gerne verwirklichen, wenn Sie ausreichend Zeit und Mittel hätten?
Im Laufe meiner Selbstständigkeit als Musiktherapeut musste ich immer wieder abwägen, ob ich die an mich herangetragenen Stellenangebote annehmen sollte. Dennoch habe ich mich immer wieder für die Selbstständigkeit in unterschiedlichen Arbeitsfeldern und somit auch für meine ambulante Praxis entschieden. Auf diese Weise hatte ich viele Möglichkeiten mich fortzubilden, mein therapeutisches Angebot auszubauen und integrativ zu arbeiten.
Seit einiger Zeit biete ich Seminare für Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten unter Einbeziehung der Peter Hess-Klangmethoden an. So habe ich beispielsweise im April diesen Jahres an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg am Institut für Musiktherapie die Fortbildung „Klangmassage in der Musiktherapie“ gegeben. Gerne würde ich meine Dozententätigkeit speziell in der Musiktherapie ausbauen.
Für die Musiktherapie im Allgemeinen wünsche ich mir, dass verstärkt Mittel zur Verfügung gestellt werden, um diese wertvolle Methode (auch als Kassenleistung) weiter zu etablieren.

Der Autor:

Mathias Elsner-Heyden
Dipl. Sozialpädagoge, Musiktherapeut DMtG, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (Approbation), Musikpädagoge, autorisierter Ausbilder in der Peter Hess-Klangmassage.
Derzeitige musiktherapeutische Tätigkeitsbereiche: Ambulante Praxis für Musik- und Klangtherapie, Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie, Werkstätten für behinderte Menschen, Universitätsmedizin Göttingen (Hämatologie und med. Onkologie), Fortbildungen für Musiktherapeutinnen und -therapeuten unter Einbeziehung der Peter Hess-Klangmethoden, Vorträge.

Kontakt:

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www.elsner-heyden.de
www.klangmassage-goettingen.de