Zertifikat „Musiktherapeut/in DMtG“ – ein Qualitätssiegel für MusiktherapeutInnen

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Von Dorothee von Moreau

Seit September 2019 hat er begonnen – der „Masterplan Zertifizierung“ der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft (DMtG). In den nächsten beiden Jahren nimmt der Verband zu den Mitgliedern Kontakt auf, die sich zertifizieren lassen könnten: Bei dieser Zertifizierungsoffensive fragen Mitglieder des Fach- und Berufsverbandes nach, informieren und unterstützen dabei eine Zertifizierung zu beantragen.
Als Qualitätssiegel gelten Qualitätsstandards auch in den Gesundheitsberufen, die offiziell noch nicht als solche anerkannt sind. Die DMtG will hier mit dem Zertifikat „Musiktherapeut/in DMtG“ Standards setzen und verteidigen.

Doch noch immer gibt es Vorbehalte oder Unsicherheit bzgl. der Zertifizierung zum „Musiktherapeut/in DMtG“. „Warum brauch ich das?“, „Das ist mir zu blöd!“, „Das schaff ich eh nicht“, sind übliche Einwände, die wir im Verband zu hören bekommen. Oft lassen diese sich durch ein klärendes persönliches Gespräch auflösen. Dieser Beitrag klärt auf, was Zertifizierung ist, warum man sich zertifizieren lassen sollte und wie das geht.

Zertifizierung – warum?
Im Unterschied zu einigen Nachbarländern ist der Beruf der MusiktherapeutIn Deutschland noch nicht geschützt. Obwohl MusiktherapeutInnen hierzulande zum großen Teil hoch qualifiziert und seit 40 Jahren auch akademisch (an Universitäten und Hochschulen) ausgebildet werden, gibt es noch keine staatlich geregelte Ausbildungsordnung, die garantiert, dass jede/r, der/die sich MusiktherapeutIn nennt, auch die Qualitätsstandards erfüllt, die für ausnahmslos alle Gesundheits-(fach-)berufe verpflichtend sind.
Qualifizierte Ausbildung (Studium oder inhaltlich gleichwertige Ausbildung nach den Minimalstandards der SAMT)
hinreichend praktische Erfahrung unter Anleitung/Supervision
Einhaltung ethischer Standards
regelmäßige Fortbildung …
… sind die Grundlage für qualifizierte Berufsausübung (ähnlich wie bei Ergotherapeuten, Psychotherapeuten, Ärzten u. a.), Patientensicherheit und Vertrauen bei den Kostenträgern und/oder Einrichtungen.
Die Zertifizierung unterstreicht und garantiert also die Qualität des/der MusiktherapeutIn und regelt die Standards für Fort- und Weiterbildung (in Umfang, Bandbreite und Qualität). Vor allem aber schafft sie eine klare Abgrenzung des Berufsbilds zu anderen oder ähnlichen „Musik-/Klang-/…-therapie“-Anbietern. Die Zertifizierung schützt damit den guten Ruf unserer Berufsgruppe.
Zertifizierte MusiktherapeutInnen stehen für berufliche Standards, sie stärken damit das Berufsbild und unterstützen so die Fachverbände bei der berufsrechtlichen Vertretung und Entwicklung der Musiktherapie und ihrer Interessen. Und: Möglichst viele Zertifizierungen schaffen eine starke Stimme für die qualifizierte Musiktherapie in Deutschland.

Hintergrund
Die Musiktherapie hat sich international von einem „Heilhilfsberuf“, „adjuvanten Verfahren“ oder „Orchideenfach“ zu einem wissenschaftlich fundierten Gesundheitsberuf entwickelt und Eingang in die S3-Leitlinien zahlreicher Diagnosegruppen gefunden (Eberhard-Kächele & Evers-Grewe, 2018). Parallel dazu fächerte die Musiktherapie ihr Methodenspektrum für zahlreiche Diagnosegruppen weiter auf, welches professionell, d. h. gezielt, systematisch und reflektiert in vielen klinischen, rehabilitativen oder präventiven Einrichtungen zum Einsatz kommt. Diese beachtlichen Entwicklungen finden längst Eingang in Ausbildung und Lehre, sowie in Fort- und Weiterbildungen.
Umso drängender ist die noch ausbleibende Anerkennung bzw. gesetzliche Regelung der Musiktherapie als Gesundheitsberuf. Dass dies noch nicht realisierbar war, mag an der sehr kleinen Berufsgruppe, an der in Deutschland immer noch unübersichtlichen Ausbildungssituation und an der Zersplitterung in verschiedene kleine Berufs- oder Fachverbände liegen. Die Musiktherapie sucht deshalb seit einigen Jahren Kontakt zu anderen künstlerischen Therapieberufen für ein übergreifendes Berufsbild und sie sucht den Zusammenschluss zu anderen Fachverbänden im Inland und europaweit, um diese Entwicklungen gemeinsam und damit potenter weiter voran zu treiben.

Zertifizierung – aber wie?
Für ein Zertifikat sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
1. Mitgliedschaft in: Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft DMtG, denn diese vergibt das Zertifikat nach ihren Regelungen (Zertifizierungsordnung), solange keine staatlichen Regelungen bestehen.
2. Qualifizierte Ausbildung/Hochschulstudium: Nur Absolventen von Hochschul- oder Universitätsstudiengängen in Musiktherapie oder von privatrechtlichen Ausbildungen, die in der SAMT organisiert sind, stehen für hinreichende Ausbildungsqualität. Die Hochschulen unterziehen sich regelmäßigen Qualitätskontrollen in umfangreichen Reakkreditierungsverfahren, die SAMT prüft die Einhaltung ihrer Minimalstandards, die in enger Abstimmung mit dem Verband hohe Ausbildungsqualität und -umfang festschreiben.
3. Ethikkodex: Mit der Unterschrift unter den Ethikkodex verpflichten sich die Anwärter zur Einhaltung berufsethischer Standards. Dies dient insbesondere der Patientensicherheit.
Anwartschaft: Wer ein Musiktherapie-Studiums oder eine qualifizierte Musiktherapie-Ausbildung absolviert hat, kann sofort die Anwartschaft auf das DMtG-Zertifikat beantragen. Dafür genügt der Nachweis über die abgeschlossene Ausbildung sowie eine Kopie des unterschriebenen Ethikkodex. Und Sie müssen Mitglied in der DMtG sein oder werden. Die Anwartschaft auf die Zertifizierung zeigt an, dass Sie bereits die erste und wichtigste Hürde zum Zertifikat – nämlich eine qualifizierte Ausbildung bzw. ein Musiktherapie-Studium – erfolgreich gemeistert haben. Es fehlt Ihnen nur noch an Berufserfahrung. Mit der Anwartschaft können Sie sich in einem Bewerbungsprozess als qualifiziert ausgebildete MusiktherapeutInnen von potenziellen MitbewerberInnen abheben und sich einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt verschaffen.
4. Berufserfahrung: Hinreichende Praxiserfahrung unter Anleitung/Supervision ist in vielen Gesundheitsberufen geregelt. Dies dient nicht nur der Professionalisierung, sondern insbesondere der Patientensicherheit. Die Vielzahl von Ausbildungswegen zur Musiktherapie hat bisher eine Vereinheitlichung der Praxiserfahrung in Umfang und Anwendungsfeld erschwert. Die DMtG hat sich deshalb darauf festgelegt, MusiktherapeutInnen zu zertifizieren, die über mindestens 2 Jahre Praxiserfahrung nach der Ausbildung (bzw. 4 Jahre bei Teilzeittätigkeit 50 %) verfügen. Damit ist ausreichend Praxiserfahrung zertifizierter MusiktherapeutInnen garantiert, d. h. zertifizierte MusiktherapeutInnen haben sich im beruflichen Feld bewährt und sind nicht als Berufsanfänger oder praxisunerfahren einzustufen.
Zertifikat: Anwärter, die alle vier Voraussetzungen erfüllen, also auch die Berufserfahrung, werden durch die DMtG zertifiziert und erhalten eine Zertifizierungsurkunde als „Musiktherapeut/in DMtG“.
Antragsunterlagen finden sich im Mitgliederbereich der Homepage der DMtG. Ausgefüllt werden sie in zweifacher Ausführung an die DMtG-Geschäftsstelle versendet.
Alle Regelungen sind in der Zertifizierungsordnung der DMtG geregelt und nachzulesen. Die Entscheidung über die Zertifizierung einzelner Antragssteller trifft der Berufsständische Beirat der DMtG im Auftrag des Verbands auf der Grundlage der Regularien der Zertifizierungsordnung. Diese werden in den Verbandsgremien diskutiert und möglicherweise überarbeitet.

Rezertifizierung – warum?
Um die hohe Qualität kontinuierlich aufrechtzuerhalten, ist die Zertifizierung wie in anderen Gesundheitsberufen auf fünf Jahre befristet. Um die Re-Zertifizierung zu erhalten, ist nachzuweisen, dass die MusiktherapeutIn sich in ihrem Fachgebiet kontinuierlich weiterentwickelt und fortgebildet hat. Das macht Arbeit, der sich benachbarte Berufsgruppen regelmäßig und selbstverständlich unterziehen. Aber, auch diese „Arbeit“ gehört heute zur beruflichen Qualifizierung!
In diesen fünf Jahren sind 250 Fortbildungspunkte zu sammeln, z. B. durch den Besuch von Fachtagungen oder Kongressen, durch das Lesen von Fachliteratur (CME-Zertifikate!), durch die Teilnahme an Teamsitzungen oder Fachkonferenzen in Kliniken, durch Supervision oder Intervision, durch den Besuch von Stimmbildungsseminaren, Instrumentalkursen oder Musikworkshops oder durch ein Ehrenamt in beruflichen Gremien der DMtG zur Weiterentwicklung der Musiktherapie.
Nach unserer Erfahrung ist das Sammeln der Punkte nicht so schwer, wie es erscheinen mag. Engagierten MusiktherapeutInnen gelingt dies meist spielend (d. h. viele KollegInnen weisen weitaus mehr Fortbildungen nach als verlangt!). Viele Fortbildungen im praktisch-methodischen Bereich machen auch Spaß und erweitern den musikalischen Handlungsspielraum. Auch Fortbildungen in angrenzenden Fachgebieten (Psychotherapie, Traumatherapie…) sind möglich. Bei der Überprüfung zählen Ausgewogenheit (Theorie – Praxis – Reflexion) und Passung zur beruflichen Tätigkeit bzw. den persönlichen Entwicklungsplänen.
Die Qualität und die Art der Nachweise der Fortbildungen sowie alle weiteren Regularien (z. B. Aussetzen der Fortbildungspflicht bei Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit etc.) sind in der „Fortbildungsordnung“ der DMtG geregelt und dort nachzulesen.
Antragsunterlagen zur Rezertifizierung finden sich ebenfalls im Mitgliederbereich der DMtG. Zertifizierte Mitglieder werden vom Verband schriftlich an ihre Rezertifizierung erinnert. Im Antrag ordnet der Antragsteller die Fortbildungen den unterschiedlichen Bereichen (Theorie, praktisch-klinische Kompetenz, praktisch-methodische Kompetenz, Reflexion) selbständig zu und fügt die Nachweise bei. In zweifacher Ausführung werden die Unterlagen an die Geschäftsstelle versendet.
Die Zertifizierungsordnung enthält auch alle Informationen und Regularien zur Rezertifizierung und sind dort nachzulesen.
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich an Ihre Regionalvertretungen oder an eine/n bereits zertifizierte/n KollegIn. Unterstreichen Sie die Qualität Ihrer Arbeit und lassen Sie sich zertifizieren!

Warum Zertifizieren?
„Ich bin schon seit vielen Jahren als Musiktherapeutin in der Psychiatrie angestellt. Mir bringt die Zertifizierung nichts und Arbeit macht es auch.“
„Gerade habe ich mein Masterstudium Musiktherapie abgeschlossen und die Heilpraktikerprüfung bestanden, da kommt schon das Nächste: die Zertifizierung. Ich will mich darum nicht mehr kümmern.“
„Ich weiß, dass ich gute Arbeit mache und empfinde die Zertifizierung durch die DMtG als Misstrauen und Kontrolle“
Der Beruf des/der Musiktherapeutin ist nicht geschützt. Das verbandsinterne Zertifikat ersetzt dies. Zertifizierte Musiktherapeuten zeigen, dass sie eine qualifizierte Ausbildung absolviert und hinreichend praktische Erfahrung haben, ethische Standards einhalten und für die Qualität ihrer Arbeit regelmäßige Fortbildungen besuchen.
Effektive Berufspolitik braucht zertifizierte Mitglieder. Eine hohe Anzahl zertifizierter Musiktherapeuten können Gesundheitspolitiker, Entscheidungsträger, Arbeitgeber und Patienten mit der Qualität ihrer Arbeit besser überzeugen als ein unübersichtlicher Dschungel unterschiedlichster Angebote.

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1 Siehe unter www.hochschule-heidelberg.de (40 Jahre akademische Musiktherapie in Deutschland).
2 Vgl. auch die Ausbildungslandschaft Musiktherapie, herausgegeben von der DMtG.
3 Ständige Ausbildungsleiterkonferenz privatrechtlicher Musiktherapieausbildungen in Deutschland (SAMT).
4 Vgl. HTA-Bericht des IQWiG zu „Krebs: Kann eine begleitende Musiktherapie zu besseren Behandlungsergebnissen beitragen?“, in dem das IQWiG Musiktherapie als
„neue Profession“ bezeichnet.
5 Marianne Eberhard-Kächele / Beatrix Evers-Grewe: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Künstlerische Therapien. Erkenntnisse, Ergebnisse, Erfordernisse – zwischen
6 Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Musiktherapie.
7 European Music Therapy Confederation (EMTC).
8 www.musiktherapie.de, Menüpunkt „Formulare“.
9 Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft, Berufsständischer Beirat, Naumannstr. 22, 10829 Berlin.
10 Im Mitgliederbereich der DMtG unter www.musiktherapie.de (Berufsständischer Beirat).