Editorial

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Mitte der 70er Jahre wanderte ein Mann mitsamt seinem Akkordeon von einer der damals ca. 160 Musikschulen Baden-Württembergs hinüber in eine nahe Psychiatrie und sang dort mit Patienten dieselben Lieder, die er kurz vorher in der Musikschule erarbeitet hatte. Einfach so.
Dort in der Psychiatrie hieß seine Arbeit Musiktherapie. Und sie tat den Patienten sicher gut, denn unser Mann war ein sehr menschenfreundlicher Pädagoge mit Interesse für Patientenarbeit und deshalb auch Vorstandsmitglied in der sehr frühen Zeit der Deutschen Gesellschaft für Musiktherapie (DGMT, heute DMtG).
Natürlich gab es längst Psychia­trien und andere Institutionen im Gesundheitswesen, in denen unter Musiktherapie von einer Psychotherapie unter Einbeziehung von Musik in die therapeutische Beziehung gesprochen und danach gehandelt wurde. Musik- und Gesprächstherapie, Musik in der Trancearbeit usw. Dennoch war es eine Zeit der Anfänge und die Diskussion über die Trennlinie zwischen Musikerziehung (privat und an Musikschulen) einerseits und Musiktherapie war noch dünn gezeichnet.
Heute ist Musiktherapie, wie sie von Verbänden, Kliniken und Hochschulen definiert wird, in immer mehr Musikschulen als Therapie integriert, wird vom Vorstand des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) gefördert und von Diplom- und MA-MusiktherapeutInnen den Kindern und Jugendlichen angeboten, die unter den Bedingungen einer Störung, einer Behinderung leben, die eine Therapie nötig machen. Und die oft Not-wendend ist.

 

Karin Holzwarth – bei aller Jugend eine der Pionierinnen für die Entwicklung und Etablierung von Musiktherapie an Musikschulen – sowie Regina Steiner-Hurtado berichten in unserem aktuellen Schwerpunktthema über Erfahrungen, Entwicklungen mit Musiktherapie inmitten einer Musikschule und Constanze Rüdenauer-Speck interviewt dazu Ruth Winter.
Sie finden wie immer unsere altvertrauten Rubriken mit wie immer neuen Perspektiven:
Klinikspaziergang durch die LVR-Klinik Viersen mit Eva Terbuyken-Röhm auf S. 5, eine neue Praxisvorstellung durch Christa Metzdorf S. 8, Alexandra Takats Patienteninterview (traumatisierte Patientin) S. 12, der Auslandsbericht „Musiktherapie in Kanada“ von Julia Beth Kowaleski S. 24.
Thomas Stegemann brät in seiner Kultkolumne auf S. 25, dem Capriccio cerebrale, einen Storch, Sabine Rittners „Kleine Hilfen“ basieren diesmal auf dem „Lied der Seele“.
Nachrichten wie immer und darin ein Jubiläum (20 Jahre bimst es jetzt in Bremen, das Bremer Institut für Musiktherapie – BIM – feiert 20. Geburtstag).
Jubiläenhaft auch zwei natürlich besondere Geburtstage. Die erwachsen gewordenen Kinder dazu sind der Mitherausgeber der MuG, Professor Weymann, und Ihr herzlich grüßender Hans Helmut Decker-Voigt.