Praxisvorstellung

  • Drucken

Musiktherapeutische Praxis Magdeburg

1. Stellen Sie sich bitte kurz vor. 
Wenn Kinder, Jugendliche und ihre Eltern zum ersten Mal in meine Praxis kommen, sage ich meistens in etwa: „Hallo, ich bin Wolfgang Pilz. Ich bin ein Therapeut für Kinder und Jugendliche, die Sorgen, Probleme oder Schwierigkeiten haben. Ich versuche, ihnen mit Worten und auf andere Weise zu helfen.“ Außerdem ist da noch mein Hund Gustav, der in der Praxis immer dabei ist. Er begrüßt die Anwesenden gerne schwanzwedelnd und mit Pfötchengeben, was den Beziehungsaufbau sehr fördert. Viel mehr muss ich über mich nicht sagen, da meine Homepage (www.wolfgangpilz. de) die wichtigsten Informationen zu meinem Werdegang enthält, so dass ich auch hier darauf verweisen kann. 

2. Welche Situation Ihres musiktherapeutischen Berufslebens lag vor der Eröffnung Ihrer ambulanten Praxis?
Meine ambulante Praxis besteht bereits seit 15 Jahren. Zuvor war ich 12 Jahre lang zunächst in einer erwachsenen-, später einer kinderpsychiatrischen Klinik als Musiktherapeut und Psychotherapeut tätig.

3. Wie sind Sie zu dem Beruf des Musiktherapeuten/der Musiktherapeutin gekommen?
Seit meiner Kindheit hat mich Musik immer schon bewegt und etwas ganz besonderes in mir ausgelöst. Zunächst ging ich davon aus, diese Erfahrung vor allem als Lehrer im Gymnasium weitergeben zu wollen. Nach Beendigung des Lehramtsstudiums suchte ich jedoch nach einer Möglichkeit, mittels Musik Menschen noch individueller begegnen und vielleicht sogar helfen zu können. Deshalb habe ich das Aufbaustudium Diplom-Musiktherapie an der Universität Witten/Herdecke absolviert und bin seit dessen Abschluss im Jahr 1994 überwiegend im Gesundheitswesen tätig.

4. Erzählen Sie bitte von den Rahmenbedingungen und der Konzeption Ihrer Praxis.
Ich betreibe eine kassenärztliche Praxis als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut im Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie in der Großstadt Magdeburg. Musiktherapie wird von mir in diesem Rahmen als Arbeitsmethode im Kontext einer an den allgemeinen Wirkfaktoren orientierten Psychotherapie eingesetzt (Klaus Grawe, Psychologische Psychotherapie, 1999). Die von mir durchgeführten Therapien werden über die kassenärztliche Vereinigung mit den Krankenkassen abgerechnet. Das Angebot dient der ambulanten Behandlung psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen bis 21 Jahre. Mein Konzept von Musiktherapie bedeutet in diesem Rahmen also, dass die musiktherapeutischen Methoden und Techniken der in meinem Denken grundsätzlich vorherrschenden empiriebasierten und an Theorien der Psychologie orientierten Verhaltenstherapie untergeordnet werden. Die Fallkonzeption hinsichtlich zu behandelnder Störungen ist stets klar verhaltenstherapeutisch. Dieser Rahmen lässt zu, Musiktherapie in ihren unterschiedlichen Formen kreativ, situations- und zweckgebunden zum Einsatz zu bringen.

5. Wie sind Ihre Praxisräume eingerichtet? Nach welchen Kriterien haben Sie sie gestaltet?
Meine Praxis befindet sich in einem großen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert in einer Nebenstraße eines belebten Stadtteils von Magdeburg. Die Räume sind sehr hoch (3,80) und lichtdurchflutet. Der Charakter der geradezu herrschaftlich wirkenden Villa wurde bei der Einrichtung durch mich einerseits durch einen großen, alten Schrank und ein ebenso altes Klavier aufgegriffen, andererseits aber den behandelten Kindern zuliebe und aus pragmatischen Gründen durch einige einfache Regale mit bunten Türen kontrastiert. Vor einiger Zeit habe ich die Einrichtung noch durch ein Hochbett ergänzt – ein Platz, der sich zum Vorlesen von Geschichten ebenso eignet wie als sicherer Rückzugsort, wenn die anderen therapeutischen Aktivitäten mal gerade nicht so passen. Einige der von mir eingesetzten Musikinstrumente sind im Therapieraum grundsätzlich frei verfügbar und können somit auch spontan, ohne größeren Vorbereitungsaufwand verwendet werden. Weitere befinden sich aber auch – wie viele Spielsachen – hinter Schranktüren, damit es insgesamt ordentlich und übersichtlich aussieht und eine Überlastung mit Sinneseindrücken vermieden wird. Von früheren Ausstellungen unterschiedlicher lokaler Künstler im Flur der Villa hängen einige Bilder an den Wänden meiner Praxis. Insgesamt sollte alles zwar kindgerecht sein, ohne jedoch einem Kinderzimmer zu ähneln – denn die meiste Zeit in dieser Praxis verbringe ja ich selbst, so dass ich mich zuerst wohl fühlen muss, um sinnvoll helfen zu können. Außerdem umfasst die Praxis ein großes Altersspektrum und es sollte für jeden Altersbereich etwas Ansprechendes dabei sein. Ich selbst brauche äußere Ordnung, um gut arbeiten zu können, deshalb sieht es im Regelfall zumindest bei Beginn jeder Therapiestunde übersichtlich und aufgeräumt aus.

6. Mit welchen Anliegen, Leiden oder Krankheiten können sich Menschen an Sie wenden?
Da es sich um eine vertragsärztliche psychotherapeutische Praxis handelt, besteht mein Angebot für alle Kinder und Jugendlichen, die psychische Schwierigkeiten haben. Meistens kommen sie zum ersten Termin in Begleitung ihrer Eltern – einige Jugendliche aber auch alleine. Sicherlich ist oft nicht leicht abzugrenzen, ob bei der eigentlich vorgestellten Person selbst eine Störung vorliegt, insbesondere dann, wenn erhebliche Probleme im sozialen Umfeld (sei es in der Familie oder in der Schule) oder in der Interaktion mit den nächsten Bezugspersonen offensichtlich erscheinen. Aber zu einer Behandlung im eigentlichen Sinn, die also über Kennenlernen und Diagnostik hinausgeht, kommt es stets nur dann, wenn eine individuelle Diagnose im Sinne des Diagnosenkatalogs der WHO bzw. Kapitel F der ICD-10 tatsächlich als gesichert gilt. Darüber hinaus ist auch die Altersgrenze obligatorisch, so dass in meiner Praxis Erwachsene nicht für sich selbst behandelt werden können, selbst wenn sie beispielsweise bereit wären, eine musiktherapeutische Behandlung selbst zu bezahlen. Sehr wohl werden die Erwachsenen aber einbezogen, wenn ich musiktherapeutische Methoden in Familiengesprächen einsetze.

7. Was hilft in Ihrer Therapie? Nach welchem Konzept arbeiten Sie?
Meine musiktherapeutische Vorgehensweise wurde am meisten von der improvisatorischen Musiktherapie nach Nordoff/Robbins geprägt. Hier fand ich meine künstlerische Herangehensweise am besten gespiegelt und so gehe ich in der Einzeltherapie nach wie vor am ehesten vor. Musik wird demzufolge als eine Art erweiterter, vieldeutiger Sprache wirksam, indem aus miteinander improvisierten Tönen musikalische Beziehung entsteht und sich ein gemeinsames künstlerisches Ganzes entwickelt. Dies ermöglicht die Erfahrung neuer Handlungsmöglichkeiten und – ganz wörtlich zu verstehen – „unsagbarer“ Einsichten. Damit kann die Brücke zur Psyche manchmal leichter gebaut werden als über die etwas kopflastigen – wenn auch sehr effektiven – verhaltenstherapeutischen Methoden und Techniken. Im Sinne der allgemeinen Wirkfaktoren der Psychotherapie ist mein Vorgehen hier neben dem Stiften von Beziehung meist auf die Aktivierung von Ressourcen orientiert. Aber auch klärungs- und bewältigungsorientierte Interventionen lassen sich gut mit improvisatorischer Musiktherapie in Einklang bringen. Zusätzlich habe ich mich eingehend in Gruppenmusiktherapie nach Christoph Schwabe fortgebildet. Dieses Konzept dominiert meinen Einsatz von Instrumenten in Gruppen. Es lässt sich meiner Auffassung nach ohne Schwierigkeiten mit bekannten Wirkfaktoren und Techniken der Verhaltenstherapie mit Gruppen in Einklang bringen, indem gemeinsames Improvisieren Gruppenkohäsion fördert und über das Geschehen in der Improvisation anschließend so gesprochen wird, wie dies nach einem stärker an der Realität orientierten Rollenspiel ebenso getan würde.

8. Wie klingt die Musik, die Sie mit Patientinnen machen oder die Sie ihnen vorspielen?
Ich spiele normalerweise keine Musik vor – weder von der Konserve, noch indem ich selbst spiele, da ich die in ihrem Selbstwert meist stark geschwächten Menschen, die zu mir kommen, nicht als schaffender Künstler einschüchtern möchte. Sie sollen ja ihrem eigenen, improvisatorischen Zugang zur Musik vertrauen. Die von mir und meinen Patientinnen meist miteinander gespielte Musik lässt sich mit den üblichen musikalischen Parametern beschreiben: sie klingt mal laut, mal leise, schnell oder langsam, schrill oder dumpf, blechern oder hölzern usw. Ich übe mit meinen Patientinnen, solche Kategorien zu finden, ehe wir sie anschließend neu übersetzen in die von dem Erklungenen wiederum ausgelösten Gefühle. Dies bedeutet, dass ich die zunächst oft rasch geäußerten bewertenden Zuschreibungen fast immer hinterfrage. Beispiele solcher Fragen wären: Was genau fandest du schrecklich? Wie könnte man beschreiben, was du mit fröhlich meintest? Welcher Klang kam dir da traurig vor? Was geschah gerade in der Musik, als Wut in der aufzukommen schien? Dabei verfolge ich die Hypothese, dass in improvisierter Musik in der Therapie häufig eine Problemaktualisierung im Sinne wirkfaktorenorienterter Psychotherapie erfolgt, so dass ein Transfer in den realen Alltag durch sorgfältige Exploration oder Konfrontation gelingen kann.

9. Schildern Sie bitte eine typische Situation aus Ihrem Berufsalltag.
Eine typische Situation aus der Einzeltherapie: Wir haben 30 Minuten lang über die momentane Situation einer Jugendlichen miteinander geredet, ein auslösendes Ereignis beschrieben, Gedanken sortiert und hinterfragt. Nun lade ich sie ein, mit mir dazu zu improvisieren. Die Wahl der Instrumente ist dabei für beide frei, allerdings begebe ich mich letztlich doch häufig ans Klavier, weil ich – wie Paul Nordoff – der Ansicht bin, dass man mit dem Klavier den künstlerischen Ausdruck der mit improvisierter Musik nicht so vertrauten Person sehr gut und vielfältig aufgreifen kann – besser als mit jedem anderen Instrument. Anfang und Ende der Improvisation bestimmt die Jugendliche (wenn nicht der Fakt, dass die Zeit zu Ende ist). Manchmal tauschen wir uns verbal aus, manchmal auch nicht. Mögliche Fragen können z. B. sein: Was möchtest du zu deiner Musik sagen? Hattest du den Eindruck, so spielen zu können, wie du jetzt gerade wolltest? Was ging dir durch den Kopf? Oft auch: Ist es ok, wenn wir das, was wir gespielt haben, einfach für sich stehen lassen und nicht mehr darüber sprechen?
Und in der Gruppentherapie: Die Kinder oder Jugendlichen – in einer Gruppe sind drei bis sechs Teilnehmer*innen – sitzen auf Stühlen in einem großen Kreis. Technisch leicht handhabbare Instrumente (Trommeln, Xylofon, Mundharmonika – die Gitarre zählt aber ausdrücklich nicht dazu) stehen in der Mitte bereit. Oft treffe ich eine Vorauswahl, weil ich ein bestimmtes therapeutisches Ziel verfolge. Beispielsweise ist es eine sehr spannende Gruppenaufgabe, zu fünft nur vier Instrumente zur Verfügung zu haben und im Verlauf einer Improvisation trotzdem jeden gleichermaßen zu beteiligen. Dieses Spiel würde sich natürlich nur für spielfreudige, jüngere Kinder eignen. Stellen wir uns dagegen eine ohnehin zu Passivität neigende Jugendlichengruppe vor, so würde ich lieber eine größere Anzahl zur Auswahl anbieten, damit sie mutiger im Ausprobieren werden. Nach der Improvisation stellen wir die Instrumente wieder in die Mitte des Kreises, so dass die Versuchung, während der Gesprächsrunde nochmal darauf zu klimpern, geringer ist, als wenn jeder noch sein Instrument vor sich stehen lassen würde. Die Gesprächsrunde bezieht sich auf Wahrnehmen und Beschreiben des gerade Geschehenen. Sie muss aber stets dem Entwicklungsstand der Kinder angepasst bleiben und ist meist kürzer als das vorhergehende Spiel selbst, um Überlastung zu vermeiden.

10. An welche besonders schwierige, lustige oder glückliche Situation können Sie sich erinnern?
Als schwierig empfinde ich Situationen, in denen Impulsivität oder sogar Aggressivität mancher Kinder dazu führt, dass nicht nur laut Musik gemacht wird, sondern Zerstörung in Kauf genommen wird (z. B. Abbrechen von Schlegeln) und Kindern dann klare Grenzen aufgezeigt werden müssen, die in einem scheinbaren Widerspruch zum Versprechen der Psychotherapie, ganz und gar akzeptiert zu werden, stehen. Ich stelle mich dem natürlich, aber empfinde das als herausfordernd. Lustig fand ich eine Jugendlichengruppe, die sich vorgenommen hatte, mir ein Konzert vorzuspielen. Damit sie dies – quasi als Überraschung – vorbereiten konnten, schickten sie mich vorübergehend in mein direkt an den Therapieraum angrenzendes Büro. Mehrmals kehrte ich nach einigen Minuten zurück in den Therapieraum, um mir das vermeintlich ausgereifte, geübte „Produkt“ anzuhören. Aber immer wieder begannen sie zwischendurch zu streiten, wie der Ablauf denn jetzt gemeint war und schickten mich erneut nach nebenan. Nach dem dritten vergeblichen Anlauf konnten wir alle darüber lachen. Glücklich hat mich im Dezember ein 9-jähriger Junge gemacht, den ich in den letzten Monaten einzeltherapeutisch betreut habe und dessen Beziehungsaufnahme ich sehr lange als brüchig und distanziert empfand. Kurz vor Weihnachten trällerte er beim Hereinkommen den Refrain von „Feliz Navidad“ – ein Stück, das ich gerade am Wochenende mit meiner Jazzband geübt hatte. Die Noten standen zufällig noch auf dem Klavier. Wir haben das Lied wieder und wieder miteinander gespielt und fühlten beide Glück, indem wir uns nahe waren und ein Erlebnis teilten.

11. Welche Idee im Bereich der Musiktherapie würden Sie gerne verwirklichen, wenn Sie ausreichend Zeit und Mittel hätten?
Hätte ich Zeit und Mittel, so würde ich mehr Forschung betreiben. Ich möchte wissen, wie wir die Wirkfaktoren der Psychotherapie so einsetzen und verteilen können, dass möglichst viele Patient*innen möglichst umfangreich davon profitieren. Dazu müssten viele in der Regelversorgung stattfindende Therapiestunden wesentlich genauer analysiert werden, z. B. mittels Videos, die von Dritten detailliert nach bestimmten Kriterien zum Einsatz der Wirkfaktoren ausgewertet werden.

www.wolfgangpilz.de