Editorial

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Seien Sie willkommen in dieser MuG-Ausgabe! Unser Schwerpunktthema umgibt uns täglich: Trennungskinder, Scheidungswaisen. Thomas Stegemann und Georg Romer, beides Hochschullehrer mit breitem Praxisprojektbezug, titeln nicht nur, sondern zeigen „Chancen und Risiken“ für das Scheidungskind. Mit dem Kind „L.“ als lebendigem (Fall-)Beispiel begleiten sie uns Lesende zu Überlegungen, Informationen, Zahlen zu Ursachen/Verlauf und besonders zu den Phasen eines Scheidungsprozesses – bis hin zu dem Kernmoment, in dem die L.’s, die Kinder dieser Welt, endgültig von der vollzogenen oder bevorstehenden Scheidung erfahren. Dieses Kernmoment als dem „psychologischen Scheidungszeitpunkt“ löst all die Empfindungs- und Erfahrungsfolgen für das Kind aus. Und für seine Therapeuten.
Die von den Vorautoren bereits zitierte Fachfrau für dieses unsere gesamte Gesellschaft betreffende und (um)formende Leidensgebiet, Nicola Nawe, die über dieses Thema mit Auszeichnung promoviert hatte, umfasst mit dem Titel ihres Beitrags diese ganze Welt des Schwerpunktthemas: „Zwischen Vater- und Mutterland“. Sie vertieft mit dem Beispiel ihrer Kindergruppenmusiktherapie als Kurzzeittherapie unseren Blick in diese kindlichen Erfahrungswelten, die es in Teilen zu dem machen, was eine Waise ausmacht und wie diese Erfahrung gewürdigt werden kann und wird. „Wer ist der Held“ beschreibt den 13jährigen Jimmy, der seinen Vater nie kennenlernte.
Wir haben einen dritten Beitrag zum Thema Trennungskinder erbeten, bei dem die Semantik „Trennung“ scheinbar nur vom Wort her gilt – Martina Nunold arbeitet derzeit schwerpunktmäßig am Thema „Kaiserschnitt-Kinder“ – für ihre Mütter und manchmal auch Väter. Auch wenn es keine „Ätiologie“ bei einer Geburt durch künstliche Trennung gibt, auch wenn die „caesarische“ Trennung von Mutter und Kind eine Krisenintervention ist, auch wenn die Indikation für Kaiserschnitte eine gynäkologische ist und keine Elternentscheidung (wie bei Trennung durch Scheidung) – es gibt sie neben den vielen störungsfreien Folgen beim Kaiserschnitt durchaus, die „Kaiserschnittpersönlichkeiten“. Erfahrungen mit musiktherapeutischer Begleitung vermittelt dieser Beitrag über Trennungskinder anderer Art, als das Wort sonst assoziiert.

 

Die Rubrik „Praxisvorstellung“ zeigt uns die Arbeit von Dr. Monika Jungblut. Ihre Praxis für erwachsene Patienten mit zentralen Sprach- und Sprechstörungen ist integriert im Duisburger Institut für Interdisziplinäre Musik- und Sprachtherapie, das mit Linguisten und Logopäden zusammenarbeitet. Ein Modell für Gemeinschaftspraxen in der Musiktherapie. Die Lektüre vermittelt nicht nur Kenntnis über die von ihr entwickelte SIPARI-Methode (Singen, Intonation, Prosodie – erraten Sie einmal, was ARI noch bedeuten könnte), sondern auch signifikante Erfolgsdaten und Empfindungswelten ihrer Patienten.
Mit Halina Deutschmann-Hütt erleben wir den diesmaligen „Klinikspaziergang“, der uns durch die Hans-Prinzhorn-Klinik im sauerländischen Dorf Frönsberg bei Hemer führt, eine moderne Psychiatrie mit allgemeinen Behandlungszielen und als Besonderem das DBT-Programm für Borderline-Patienten sowie einer Spezialstation für Patienten mit affektiven Störungen und eine Station für griechischsprechende Patienten, die auch Modell für andere Sprachen unserer immigrierenden Mitbürger ist.
Als private Ausbildung in der Musiktherapie lernen wir heute die „Berufsbegleitende Weiterbildung in Orff-Musiktherapie“ an der Deutschen Akademie für Entwicklungsförderung in München kennen. Wer von uns noch Gertrud Orff persönlich kennenlernen durfte, wird feststellen können, wie sich die von ihr konzipierte Orff-Musiktherapie im Lehrplan weiterentwickelte und „was blieb“ von ihren Anfängen bis heute. Es ist mitnichten nur das berühmte Orff-Instrumentarium.
Eine Vorankündigung: Ab der nächsten Ausgabe wird die MuG bereichert durch eine weitere Kolumne. Der nicht nur professorale Arzt und Musiktherapeut Thomas Stegemann in Wien betitelt sie „Capriccio cerebrale“, eine Kolumne als Glosse „zwischen Musik und Musiktherapie und Neurowissenschaften“.
Aber jetzt schauen wir in das Hier und Jetzt dieser MuG.

 

Ihr
Hans-Helmut Decker-Voigt

(für den Herausgeberkreis)