Musiktherapeutischer Klinikspaziergang

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Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Department für Psychische Erkrankungen, Uniklinikum Freiburg i. Br.

Von Sandra Wallmeier

Die Freiburger Psychosomatik – gegründet im Jahr 1949 – steht in einer langen Tradition. Unser Verständnis von Krankheiten und ihrer Behandlung nimmt die Wechselwirkungen körperlicher, psychischer und sozialer Einflüsse auf die Gesundheit wie auf die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten gleichermaßen in den Blick. Zu uns kommen Patienten mit Depressionen und Angststörungen, mit Essstörungen, mit vielfältigen körperlichen Beschwerden ohne erkennbare körperliche Ursache, mit übermäßigen berufsbedingten Belastungen (Burnout). Manche leiden an den Folgen einer Verletzung oder benötigen besondere Hilfe bei der Bewältigung einer körperlichen Erkrankung. Fachübergreifend eingebunden sind wir unter anderem in die Versorgung von Patienten mit Krebs, koronarer Herzkrankheit oder Herz- bzw. Lungentransplantationen.
In unseren ganzheitlichen Behandlungskonzepten berücksichtigen wir psychotherapeutische, körpermedizinische und sozialtherapeutische Ansätze. Dabei nutzen wir Methoden der psychodynamischen Therapien, der Systemtherapie (Paar- und Familientherapie) und der Verhaltenstherapie ebenso wie vielfältige körpertherapeutische, kreative oder meditative Verfahren.
Station Krehl
Die psychosomatische Behandlungsstation wurde bereits 1949 an der internistischen Abteilung des Freiburger Universitätsklinikums eingerichtet. Namensgeber ist der Heidelberger Internist Ludolf Krehl (1861–1937), der frühzeitig eine ganzheitliche Behandlung kranker Menschen forderte. Die Station Krehl bietet die Möglichkeit einer intensiven, multimodalen psychotherapeutisch-psychosomatischen Behandlung (mehrere Therapieansätze können gleichzeitig, sich gegenseitig ergänzend eingesetzt werden). In begrenztem Umfang stehen zusätzliche tagesklinische Behandlungsplätze auf unserer Station zur Verfügung, um die Behandlung zunächst stationär beginnen und ggf. später ohne Unterbrechung und unter Behandlungskontinuität tagesklinisch fortsetzen zu können.
Auf der Behandlungsstation stehen 20 Behandlungsplätze für Menschen mit psychischen und psychosomatischen Problemen zur Verfügung. Schwerpunkte bestehen in der Behandlung von somatoformen Störungen, Essstörungen, Depressionen und Zuständen nach schweren Belastungen. Die Behandlungsdauer umfasst in der Regel 6–12 Wochen.
Das Behandlungsprogramm umfasst folgende Elemente:
Einzelpsychotherapie (2 x pro Woche)
Interaktionelle Gruppentherapie (2 x pro Woche)
Konzentrative Bewegungstherapie als Gruppen- oder Einzelbehandlung
Gestaltungstherapie oder Musiktherapie (2 x pro Woche)
Symptomorientierte Gruppe, für Patienten mit körperlichen Beschwerden
Gruppe für Patienten mit Essstörungen
Familienrekonstruktionsgruppe
Entspannungstherapie
Atemtherapie
Paar- und Familiengespräche
Bezugspflege mit regelmäßigen Gesprächen
Ärztliche Visiten
Konsiliarische Vorstellungen an anderen Abteilungen
Sporttherapie
Physiotherapie
Sozialtherapie (inklusive Arbeitserprobungen) 
Naturheilkunde
Das Grundkonzept ist psychodynamisch sowie systemisch-familientherapeutisch orientiert und integriert je nach Krankheitsbild kognitiv-verhaltenstherapeutische Elemente. Die Anmeldung, Indikationsstellung und Beratung erfolgt über unsere Ambulanz. In Akut- und Krisenfällen können sich überweisende Ärzte auch direkt mit dem zuständigen Oberarzt oder dem Ärztlichen Direktor in Verbindung setzen.
Musiktherapie auf Station Krehl
Seit genau 20 Jahren wird auf Station Krehl Musiktherapie durchgeführt. Die Patienten werden gleich im Aufnahmegespräch für Gestaltungstherapie oder Musiktherapie angemeldet. Hier werden möglichst Neigungen, Vorerfahrungen und Wünsche der Patienten berücksichtigt. Musikalische Vorkenntnisse sind für die Behandlung nicht erforderlich!
Nach der Anmeldung für die Musiktherapie erfolgt zeitnah ein Vorgespräch bei der Musiktherapeutin und danach ein Einstieg entweder in die halboffene Musiktherapiegruppe mit bis zu sechs Teilnehmern oder ggf. einer musiktherapeutischen Einzel-Schmerzbehandlung.
Aktive Musiktherapie
in der Gruppe
Die Patienten sind selbst mit Instrument oder Stimme an der Therapie handelnd beteiligt. In der Regel spiele oder singe ich mit und bin dadurch in besonderer Weise affektiv eingebunden in das musikalische Geschehen. Zugleich versuche ich, rational und emotional wahrzunehmen und zu verstehen, was sich im musiktherapeutischen Prozess ereignet, und wenn nötig, hilfreich-steuernd einzugreifen. In der Aktiven Musiktherapie spielen Improvisationen eine große Rolle. Durch vorbereitende Absprachen kann die Aufmerksamkeit entweder stärker auf die Musik, ihre Form und ihr Material gelenkt werden oder z. B. mehr auf Tagtraumbilder und Einfälle, die durch das Improvisieren auftauchen. Es erfolgt eine verbale Einstimmung und ich biete im Anschluss die verbale Aufarbeitung des deutlich gewordenen Konfliktmaterials an.
Musik-imaginative Schmerz­behandlung
Die Musik-imaginative Schmerzbehandlung wird grundsätzlich als Einzeltherapie durchgeführt und umfasst drei bis fünf Sitzungen. Nach einem ausführlichen Schmerzinterview suchen wir nach Klängen und Geräuschen, die den Schmerz der Patienten so gut wie möglich widerspiegeln und solchen, die die Patienten als besonders angenehm und wohltuend empfinden. Anschließend gestalten wir daraus je eine individuelle Komposition für den Schmerz und für seine Linderung. Ich habe in der Kompositionsphase vorwiegend beratende Funktion bei der Auswahl der Instrumente, Töne und Rhythmen, denn sowohl bei der Komposition als auch in der folgenden Anwendung der Musiken entscheiden die Patienten, was für sie stimmig ist. In der Anwendungsphase spiele ich beide Musiken nacheinander. Sind die Kompositionen gelungen im Sinne eines erlebten Stimmig-Seins bei den Patienten, verspüren sie nach der Anspannung, die die Komposition Schmerz häufig auslöst, eine Erleichterung durch die Komposition Linderung. Abschließend erfolgt ein reflektierendes Nachgespräch, in dem auch die Möglichkeiten einer Weiterbehandlung erörtert werden. Die Wirkung der Musik-imaginativen Schmerzbehandlung zeigt sich vor allem in einer positiv veränderten Wahrnehmung der Schmerzqualität und Schmerzintensität bis hin zu dem Erleben von Schmerzfreiheit. Darüber hinaus hilft die Behandlung den Patienten, ihren Schmerz in komplexeren Zusammenhängen zu sehen. Auf Grund des spezifischen methodischen Vorgehens im Rahmen der Musik-imaginativen Schmerzbehandlung greifen bei dieser Behandlungsmethode unterschiedliche psychotherapeutische und neurophysiologische Wirkfaktoren ineinander.
Als Musiktherapeutin auf Station Krehl arbeite ich ca. 50 % meiner Arbeitszeit unmittelbar im Patientenkontakt. Die andere Hälfte der Arbeitszeit verbringe ich hauptsächlich mit dem multi-professionellen Team der Station, d. h. in Teambesprechungen, Fallbesprechungen und Supervision mit einem externen Supervisor. Selbstverständlich werden die Behandlungen nahtlos dokumentiert.
Außerdem sind zwei Mal im Jahr eine zweitägige Großgruppensupervision für die gesamte Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie obligatorisch sowie die Beteiligung der Fachtherapien an der Ausbildung junger Medizinstudenten im Rahmen von Workshops („Bedsideteaching“).
Einen eigenen Musiktherapieraum hat die Station bislang nicht. Musiktherapieräume, die sich auf dem Klinikgelände befinden, werden vom gesamten Department für psychische Erkrankungen (Psychiatrie und Psychosomatik) genutzt und sind von allen Patienten in wenigen Gehminuten erreichbar. Der Nachteil ist, dass ich weniger auf Station angetroffen werden kann und sich an manchen Tagen die wenigen Gehminuten für mich summieren. Andererseits genießen die Patienten oft auch den „Ausgang“ in die Musiktherapie. Die Themen in ein anderes Gebäude zu tragen, hat Vorteile, der Weg bringt etwas Abstand zum Stationsgeschehen. Das Klinikgelände grenzt direkt an den Botanischen Garten der Stadt Freiburg, in den sich ein Abstecher zu jeder Jahreszeit lohnt.
In den gemeinsam genutzten Räumen arbeite ich mit den fünf weiteren Musiktherapeuten des Departments zusammen an der musiktherapeutischen Konzeptualisierung und gewährleiste so die musiktherapeutische Versorgung des Departments.
Die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie organisiert Veranstaltungen in der Reihe Dienstagskolloquium „Körper – Seele – Geist“ (im Audimax) u. a. im Mai 2019 zum Thema „Mentalisieren in der Musiktherapie“.
Die Klinikkonzerte – Musik dargeboten von professionellen Ensembles – finden bis zu viermal jährlich statt. Sie verstehen sich als soziokulturelles Angebot, bei dem emotionale Erlebnisfähigkeit angeregt, Kontakte geknüpft und Kommunikation gefördert werden können.
Für Patienten der Station Krehl bietet eine Musiktherapiegruppe in meiner Praxis eine Möglichkeit der nachstationären gruppentherapeutischen Behandlung. Die Gruppe findet an zwei bis drei Terminen im Monat laufend statt.

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Hauptstraße 8
79104 Freiburg
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Die Autorin:

Sandra Wallmeier
geb. 1980
M.A., Dipl.-Musiktherapeutin (DMtG), Heilpraktikerin für Psychotherapie, seit 2006 Angestellte des Universitätsklinikums Freiburg, seit 2015 in eigener freier Praxis tätig sowie als lehrbeauftragte Dozentin und Musikerin.
www.sandrawallmeier.de