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Kleine Hilfen mit Atem, Bewegung und Stimme

Von Sabine Rittner

„May it be beautiful all around you…“
Zur Prävention: Entlasten, Reinigen und Verschönern des eigenen Körper-Klang-Raums
Heute möchte ich eine Übung aus der körperorientierten Musikpsychotherapie(1) mit Ihnen teilen, die dazu beitragen kann, Verspannungen zu lösen und damit präventiv durchaus einer sich evtl. psychophysiologisch manifestierenden Symptombildung vorzubeugen. Diese Übung läßt sich alleine, aber sehr gut auch gemeinsam mit anderen in einer Gruppe durchführen. Die Atemtherapeutin Ilse Middendorf sprach von drei Atemräumen, die über den Atem erfahrbar sind(2). Die tönende Bewegungs-Klang-Raum-Übung beginnt im Sitzen und setzt sich dann im Stehen fort. Bei körperlicher Einschränkung kann sie aber auch komplett im Sitzen oder sogar im Liegen mit nur kleinen, sparsamen Bewegungen durchgeführt werden. Suchen Sie sich dafür einen Ort, an dem Sie für etwa 20–30 Minuten ungestört sind.
Setzen Sie sich bequem und aufrecht hin, schließen die Augen und richten den Scheinwerfer Ihrer Aufmerksamkeit auf den unteren Raum Ihres Körpers. Er umfasst Ihre Beine und Füße, das Becken, den Bauchraum und unteren Rücken:
Mit dem nächsten Einatem stellen Sie sich vor, dass Sie diesen imaginierten „Raum“ Ihres Körpers „ausleuchten“, um dort irgendetwas Überfälliges, Lästiges, Angestrengtes, Schmutziges… aufzuspüren.
Stellen Sie sich einen „Klang-Kehrbesen“ vor, mit Hilfe dessen Sie nun mit einem kraftvollen Ausatemgeräusch all dies Überfällige hörbar und laut „hinausfegen“, diesen Raum reinigen. Lassen Sie dazu ein lautes Geräusch mit ihrer Stimme hörbar werden, das von einer schwungvollen Bewegung der Hände und Arme unterstützt werden kann.
Dies wiederholen Sie einige Male, bis dieser Raum genug „gereinigt“ und entlastet ist.
Wenn Sie alle Ecken und Winkel Ihres unteren Körperraums „durchgeputzt“ haben, dann „verschönern“ Sie ihn nun mit einem farbigen Klang. Schicken Sie mit Ihrer Stimme in einer Tonhöhe, die im Bauchraum auch als Vibration spürbar ist, sanfte Töne dort hinein. Stellen Sie sich Kraft Ihrer Imagination vor, wie Sie mit einem für Sie jetzt angenehm klingenden Vokal in einer passenden Klang-Farbe (z.B. „u“ oder „o“ oder ein anderer für Sie hier passender Vokal) die Innenwände dieses Raumes tönend „anmalen“, ihn wohltuend farbig auskleiden.
Wenden Sie sich nun dem mittleren Raum Ihres Körpers zu, der sich im Bereich vom Solarplexus, Magen, Zwerchfell bis in die Flanken und den Rücken hinein ausdehnt. Wiederholen Sie die Schritte von oben, um auch diesen Raum zu „reinigen“:
Mit dem nächsten Einatem stellen Sie sich vor, dass Sie diesen Raum Ihres Körpers „ausleuchten“, um dort irgendetwas Überfälliges, Lästiges… aufzuspüren.
Mit dem darauffolgenden kraftvollen Ausatemgeräusch schleudern Sie dies hörbar und laut hinaus. Machen Sie dazu ein lautes, kraftvolles Geräusch mit ihrer Stimme, das von einer passenden Bewegung der Hände und Arme unterstützt wird.
Dies wiederholen Sie einige Male.
Wenn Sie alle Ecken und Winkel Ihres mittleren Körperraums durchgeputzt haben, dann „verschönern“ Sie diesen gereinigten Energieraum von innen mit einem farbigen Klang. Schicken Sie mit Ihrer Stimme sanfte Töne dort hi­nein in einer Tonhöhe, die in diesem Teil Ihres Körpers gut spürbar ist. Stellen Sie sich vor, wie Sie mit einer passenden Klang-Farbe, einem passenden Vokal (z.B. „a“) diesen Raum jetzt tönend von innen auskleiden, so wie es Ihnen jetzt gefällt.
Jetzt richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den oberen Raum Ihres Körpers mit Brustkorb, oberem Rücken, Schultern und Armen und wiederholen die drei Schritte, um auch diesen Raum zu „reinigen“:
Mit dem nächsten Einatem stellen Sie sich vor, dass Sie diesen Raum Ihres Körpers „ausleuchten“, um dort irgendetwas Überfälliges, Lästiges… aufzuspüren.
Mit dem darauffolgenden kraftvollen Ausatem stellen Sie sich einen „Klang-Kehrbesen“ vor, mit dem Sie dies hörbar und laut hinausfegen. Lassen Sie dazu ein lautes, kraftvolles Geräusch mit ihrer Stimme hörbar werden, das von einer Bewegung der Hände und Arme unterstützt wird.
Dies machen Sie mehrmals, bis es genug ist.
Wenn Sie alle Ecken und Winkel Ihres oberen Körperraums durchgeputzt haben, dann „verschönern“ Sie diesen gereinigten Energieraum mit einem farbigen Klang. Schicken Sie mit Ihrer Stimme in einer Tonhöhe, die in diesem oberen Raum gut spürbar ist, sanfte Töne dort hinein. Stellen Sie sich vor, wie Sie mit einer passenden Klang-Farbe, einem passenden Vokal (z.B. „e“ oder „i“) diesen Raum jetzt tönend von innen auskleiden.
Weiter tönend, singend verbinden Sie nun alle drei Körperräume zu einem großen Körper-Klang-Raum. Lassen Sie dabei in der Vorstellung Ihre Hautmembran von innen her vom farbigen Klang Ihrer Stimme vibrieren und erlauben Sie dabei auch intuitive Bewegungen Ihrer Arme und Hände.
Sollten Sie bis jetzt gesessen haben, dann verlagern Sie spätestens jetzt Ihr Gewicht nach vorne auf die Füße und setzen Ihre tönende Klang-Raum-Erkundung in freier Bewegung im Stehen (mit gelösten Knien) fort:
Durch die Poren Ihrer vibrierenden Hautmembran hindurch lassen Sie die Klänge nun auch den Sie unmittelbar umgebenden „Eigen-Raum“ mit Klang-Farbigkeit und Licht anfüllen. Mit Eigen-Raum bezeichne ich den Energieraum, der Ihren gesamten Körper oberhalb der Haut in etwa 30–40 cm Abstand eiförmig umgibt.
Verschönern Sie nun tönend und tanzend den gesamten Sie umgebenden Außenraum, in dem Sie sich befinden, mit klingender Farbigkeit. Werden Sie dabei raumgreifend mit Ihren Bewegungen, drücken Sie tanzend aus, was Sie jetzt hören und spüren.
Lassen Sie nun Ihre Klänge sich weit über den Raum hinaus ausbreiten, so dass sie bis in die Weite des Horizonts hinein schwingen. Vielleicht mögen Sie sie mit Ihrer Vorstellungskraft an einen spezifischen Ort schicken, an dem Ihre Klänge jetzt ganz besonders gebraucht werden, wo sie heilsam verschönernd weiterwirken und sich weiter entfalten können.
Sie werden den richtigen Zeitpunkt finden, an dem es gut ist und Sie wieder zu sich selbst zurückkommen mögen. Lassen Sie das Tönen leiser, die Bewegungen kleiner werden, Ihren Tanz zur Ruhe kommen.
Spüren Sie in der Stille nach: Was ist jetzt anders als am Beginn? (Sollte dies für Sie eine gefühlte Ewigkeit her sein, so ist das ein Kennzeichen für einen heilsamen Trancezustand, in den Sie sich hineingetönt, geatmet, getanzt haben(3).) Welche Körperempfindungen, Gefühle, Gedanken nehmen Sie jetzt wahr?
Ankern: Das, was Sie jetzt Wohltuendes spüren, ankern Sie körperlich, so dass es wieder abrufbar wird, indem Sie eine passende Berührung oder eine kleine Geste dazu finden. Zusätzlich lassen Sie ein passendes Bild oder ein Symbol auftauchen, in dem sich Ihre Erfahrung verdichtet. Vielleicht gibt es dazu aus Ihrer intuitiven Weisheit heraus auch einen Selbstunterstützungs-Satz, den Sie zu sich selbst sprechen. Wenn Sie mitten im Alltag irgendwann einmal (für andere ganz unauffällig) diese Berührung, diese Geste machen, werden sich ihr Organismus und Ihre Seele an diese wohltuende Erfahrung erinnern, sie unmittelbar abrufen und die Wirkung reaktivieren können.

Das Weltbild der Navaho (auch Navajo oder Diné, wie sie sich selber nennen), einem in New Mexico, Arizona und Utah ansässigen Stamm der Native Americans, basiert vor allem auf Hózhó. Mit diesem Begriff bezeichnen die Navaho Schönheit, Balance, Ausgleich oder Harmonie aller Kräfte, einen geistig-spirituellen Idealzustand, um dessen Erhaltung und Wiedererlangung sich in ihrer Kultur vieles dreht. Ich wünsche Ihnen, dass die Erfahrung dieser Übung zur Stärkung von Hózhó in Ihnen und um Sie herum beitragen kann. In diesem Sinne möge der folgende, bekannte Segensgesang der Navaho Sie begleiten:

May it be beautiful before you.
May it be beautiful behind you.
May it be beautiful above you.
May it be beautiful below you.
May it be beautiful all around you.
May you be restored in beauty.
In beauty it is finished.
In beauty it is finished.

Die Autorin:

Sabine Rittner
ist Musikpsychotherapeutin, approb. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Psychotherapeutin (HP), Hypnotherapeutin, Traumatherapeutin mit Spezialisierung in der Arbeit mit veränderten Bewusstseinszuständen, körperorientierter Therapie und systemischer Therapie mit der inneren Familie (IFS). Sie ist tätig am Institut für Medizinische Psychologie der Universitätsklinik Heidelberg (Lehre, Psychotherapie, Musiktherapie- und Bewusstseinsforschung), sowie in eigener Praxis (Therapie, Supervision, Coaching). Umfangreiche Publikationen zu den Themenkomplexen Bewusstseinsforschung – Klang – Trance – Stimme – Musiktherapie u.a. Weitere Informationen unter:
www.SabineRittner.de