Editorial

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Im Unfallkrankenhaus Boberg/Hamburg-Bergedorf hörte ich in den ersten Wochen dieses Jahres die Klangspektren der täglich Schwerverletzte anlandenden Hubschrauber – und eines Mittags die Fetzen von Chorgesang durch eine Schwingtür, die die Vorhalle von ersten Stationen und dem Hörsaal trennt. Ich folgte den Fetzen wie ein kranker Weiser aus dem Morgenlande dem Stern und da sang er: ein temperamentvoller Gospelchor aus Mitarbeitern der Klinik, aber auch ehemaligen Patienten und Dauergästen von außerhalb. Mit einem ebenfalls beinverletzten vitalen Dirigenten am Flügel.
Sie sängen als Beitrag zur therapeutischen Atmosphäre für Patienten und als Psychohygiene und Prävention für Ärzteschaft, Gesundheits-, Krankenpflege, Raumpflege usw. – sagte mir später eine Sängerin.
Diese communities mit der Zielrichtung des Musikerlebens aktiv und rezeptiv (wie sie auch die Bewegung der „Singenden Krankenhäuser“ verfolgt, deren Verbandsorgan unsere Zeitschrift ist) – leben zeitgleich zu den aktuellen Anstrengungen der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft (DMtG), Musiktherapie als einen akademischen Beruf endlich berufspolitisch und gesundheitspolitisch von der allgemeinen Politik anerkennen und absichern zu lassen.

Solche Parallelbewegungen, z. T. nicht nur parallel, sondern auch gegeneinander, gab es immer wieder neu und es gab auch in den Zeiten seit den ersten Studiengangsgründungen im staatlichen Hochschulbereich (dem alle Herausgeber dieser Zeitschrift und die meisten AutorInnen derselben ihr Arbeitsleben widmen) immer wieder das Thema „Wem gehört die Musiktherapie?“. Der Psychologie? Der Psychotherapie? Den künstlerischen Therapien? Der Medizin? Den Hochschulen? Den Patientinnen und Patienten?
In Letzterem treffen wir uns alle wie in einem gemeinsamen Nenner: Musiktherapie gehört zu allererst den Patientinnen und Patienten, unserer Klientel.
Jetzt ist das Thema also wieder da und deshalb haben wir statt eines Schwerpunktthemas mit zwei bis drei Beiträgen viele kürzere Beiträge erbeten – und danken sehr für die Beteiligung an der Diskussion! Diese ist Unterschiede herausarbeitend, teilweise Kontroversen, teilweise Provokationen im besten Sinne (pro-vocare=hervorrufen), teilweise und nicht selten Konkurrierendem. Z. B. konkurrierend um Studierende für z. T. teure Studienplätze.
Alles führt aber hoffentlich zu einer wieder einmal nötigen konstruktiven aktuellen Profilklärung für „die“ Musiktherapie, die es in der Einzahl nicht gibt. Und trägt bei zur Vermeidung von Ausgrenzung oder gar Spaltung, wie wir sie im allgemein gesellschaftlichen und politischen Bereich mal wieder übergenug erleben und erleiden.
Von der kreativen „fachpolitischen“ Unruhe unseres Schwerpunktthemas können Sie sich erholen in der Lektüre, die Ihnen eben unsere Patientenwelt und Klientinnen und Klienten sowie die zugehörigen TherapeutInnen nahebringen möchte in den vertrauten Rubriken, siehe Inhaltsverzeichnis.