Zum Mitmachen

Mmmmm-Klack-Pling – eine Computerimprovisation

Von Selma Emiroglu und Oliver Schöndube

 

Die durchschnittlichen Arbeitswochenstunden am Computer steigen. Dabei werden nicht nur Wissenschaftler und Programmierer „digitalisiert”. Auch für Musiktherapeuten steigen die bürokratischen Anforderungen wie online-Protokolle und Email-Korrespondenz. Dass Computerarbeit nicht den natürlichen Bedürfnissen des Körpers entspricht und die Burn-Out-Rate einen hohen Korrelationswert mit Computerarbeit aufweist, hat sich mittlerweile rumgesprochen. Auf Dauer sind die Vorteile, die uns die Maschine bietet, nur durch aktive Beziehungspflege mit dem eigenen Körper und den Sinnen nutzbar zu machen. Speziell brennende Augen und getriebenes Nervensystem, die am Bildschirm als Informationsschleusen fixiert sind statt frei in der Sinneswelt umher zu hüpfen, freuen sich zwischendurch über empathische spielerische Zuwendung.

Und wo steckt die Musik in diesen Stunden? Klingt die Welt weiter, auch wenn man wohlig-wollig eingehüllt im ozeanischen Geisteszustand der Gedankenwelt steckt? Um den sinnlichen Genuss an der Welt zu behalten, dem eigenen Lebensrhythmus treu zu bleiben und musiktherapeutische Beziehung mit seinem Arbeitskollegen „Herrn Comp. Asp Erger” zu pflegen, kann die Musikimprovisation bei der Arbeit am Computer integriert werden.
Heute lade ich Sie zu einer Summimprovisation ein, als motivierendes Einstimmen auf Wortarbeit, in Pausen und auch während des Schreibens am Computer. Stellen Sie zunächst Kontakt zu Ihrem Körper und Ihren Sinnen her. Geben Sie sich so ein paar Minuten Zeit, um aus dem ständigen Gedankenfluss und der Geschäftigkeit hier anzukommen. Wie sitzen oder stehen Sie gerade da? Möchte sich Ihr Körper bequemer hinsetzen oder hinstellen? …
An welchen Stellen spüren Sie die Auflageflächen unter Ihnen, den Stuhl, den Boden, den Tisch? …
Nehmen Sie nun Ihre Augen wahr: Was nehmen die Augen gerade wahr? Sind sie fixiert auf das hier Geschriebene? Was liegt sonst gerade in deren, also Ihrem, peripheren Blickfeld? …
Und wie fühlen sie sich gerade an? Fühlen sich die Augen fest oder weich, starr oder flexibel an? Eher ent- oder verspannt? Wollig-wohlig oder brennend? Überall gleich oder vorne an der Hornhaut anders als hinten in den Augenhöhlen? …
Dann beginnen Sie zu summen. Summen Sie „mitfühlend” mit Ihren Augen. Wie klingt es, wie sich Ihre Augen anfühlen? Setzen sie das Gespürte direkt in Klang um, jenseits der Wortebene, auf der sinnlichen Ebene verweilend. …
Bewegen sich Ihre Augen? Vertonen Sie die Bewegung, stimmen Sie den improvisierten Melodieverlauf auf diese ab. …
Und spüren Sie den Lidschlag? Lassen Sie durch summende Interrupti Ihren Lidschlag erklingen. …
Schließlich komponieren Sie alle Augeneigenwahrnehmungen zusammen zur Augensymphonie. Passen Sie die Melodie des Summens an die Augenbewegungen an, die Klangfarbe an die Augenempfindungen, die Dynamik an die Intensität der Augenempfindung, Rhythmus oder Impulse an den Lidschlag ...
Für eine ausgedehnte Schaffenspause, können Sie wie mit den Augen beschrieben durch den ganzen Körper wandern und mit allen Körperteilen musizieren. Hierbei sind Füße, Magen und Hals-Nacken-Bereich besonders dankbare Regionen neben der Computerarbeit ...
Anschließend nehmen Sie summender Weise Ihre Schreibarbeit in Angriff. Spüren Sie Ihre Augen noch? Hat sich die Empfindung beim Blick auf den Bildschirm verändert? Wie? Wiederholen Sie die Augenimprovisation, die sie vorher „acappella” geübt haben, nun „am Instrument” während routinierter Schreibarbeiten ...
Und nun hören Sie Ihren Fingern zu! Wie hört sich das Klackern der Tastatur an? ...
Bauen Sie das Tippen in Ihre Improvisation mit ein. Tippen Sie rhythmisch oder summen Sie zum klackernden Bordun ...
Sehen Sie den Cursor der Maus auf dem Bildschirm? Begleiten Sie dessen Bewegungen stimmlich...
Blinkt der Cursor des Schreibprogramms in unterschiedlichen Frequenzen? Lassen Sie sein Blinken, das auftaucht, wenn er stillsteht, zum Grundpuls Ihres Summens werden, während Sie die Cursorbewegungen in Melodie und Dynamik vertonen. Das buchstabenweise Schreiben wird zu Tonleitern, während das schnelle rückwärts-gerichtete Löschen einer Zeile von einem Abwärtsglissando untermalt wird ...
In gleicher Weise können alle Bewegungen Ihres Körpers oder am Bildschirm zu einer neuen Stimme der Symphonie werden ...
Aber gesellen sich da nicht noch ein paar andere Instrumente zum Symphonieorchester? Lauschen Sie einmal auf die Umgebungsgeräusche – dem Brummen des Computers, dem Rattern des Druckers, dem Pling des Emailprogramms – mit musikalischen Ohren und bauen Sie allesamt in Ihre Computerimprovisationsmusik mit ein ...
Und wie klingt Pause? Lauschen Sie in Computerpausen! Wie klingt die Raumakustikänderung, wenn Sie ins Bad oder in die Teeküche gehen? Wie klingt das Plätschern des Wasserhahns, der sich beim Händewaschen freut, Sie mit seinem Konzert zu erfreuen? Wie klingt Stille beim Verlassen der Cafeteria? …

 

Die Autoren:

Selma Emiroglu
Geb. 1976. Musiktherapeutin (EAHA), promovierte Physikerin (Unis München und Oldenburg), leidenschaftliche Folkmusikerin, -tänzerin und -reisende (Schweden), suchende Menschin mit Achtsamkeit und Gewaltfreier Kommunikation (Erde). Derzeit tätig mit Lehrauftrag an der FH Oldenburg und präventiver Musiktherapie mit Schulkindern und Firmenerwachsenen.

Oliver Schöndube
Geb. 1975. Dipl.-Musiktherapeut, Lehrer, leidenschaftlicher Musiker.
Derzeit tätig an einer Grundschule und in präventiver Musiktherapie mit Schulkindern und Firmenerwachsenen sowie im Coaching für Musikstudierende.
www.musikaufraedern.de
osnabrueck(at)musikaufraedern.de