Musiktherapeutischer Klinikspaziergang

„Können wir kurz in den Krachraum?“ kbo-Heckscher-Klinikum München

kbo-Heckscher-Klinikum gemeinnützige GmbH im Verbund mit den Kliniken des Bezirks Oberbayern – Kommunalunternehmen (kbo) in München

Von Michael Metzger, David Westphäling und Axel-Helge Orlovius

Der Krachraum im Münchner kbo-Heckscher-Klinikum heißt wirklich so. Das liegt am Architekten des Hauses und an Axel-Helge Orlovius. Den hatte der Planer beim Neubau des Hauses gefragt, wie laut es in der Musiktherapie denn schlimmstenfalls werde. Kurzerhand lud der pragmatische Musiktherapeut Orlovius zu einer Gruppenstunde mit Schlagzeug, Bass und E-Gitarren ein und nach wenigen Takten war dem Architekten klar: „Ihr braucht ja einen Krachraum!“ Seitdem steht dieser Name auf dem Türschild neben der Nummer 01.K.01 am Ende eines Ganges im ersten Untergeschoss. Was hinter der dicken Tür des Krachraums geschieht, unterliegt der Schweigepflicht*.
Wenn man im Münchner Stadtteil Obergiesing das kbo-Heckscher-Klinikum für Kinder- und Jugendpsy­chia­trie, Psychosomatik und Psychotherapie betritt, dann steht man zunächst vor einem großen Aquarium. Über dem Kopf dreht sich ein mächtiges Kaleidoskop, das symbolisch den Blick in die Weite öffnet. Bewegt wird es von einer schwebenden Spielzeugeisenbahn. Und wenn es abends im Fo­yer dunkler wird, spaziert ein farbig leuchtender Fleck über den Granitboden, was besonders den jüngeren Kindern staunendes Vergnügen bereitet.
Für all das werden PatientInnen* bei ihrem ersten Ankommen aber kaum einen Blick haben. Denn wer zur Notfallambulanz mit den eigenen Eltern, vielleicht auch allein im Rettungswagen oder mit der Polizei ins Haus kommt, ist womöglich in einer suizidalen Lebenskrise. „Die Heckscherklinik“, wie sie umgangssprachlich heißt, ist ein versorgungspflichtiges psychiatrisches Krankenhaus für Kinder und Jugendliche. Behandelt werden Störungsbilder wie Depressionen, Ängste, Süchte und Psychosen, der ganze Umfang aller Angebote und behandelten Erkrankungen findet sich im Internet unter www.kbo-heckscher-klinikum.de. Wenn man alle Abteilungen und Außenstellen zusammennimmt, ist das kbo-Heckscher-Klinikum die größte alleinstehende Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Deutschland. Und vielleicht die einzige mit einem offiziellen Krachraum.
Morgens gegen 9 Uhr sitzen die Musiktherapeuten Axel-Helge Orlovius, David Westphäling und Michael Metzger beim Kaffee in der Kantine und planen den neuen Tag. „Bist Du um halb zwölf im Krachraum?“ „Nö, Angelique ist heute Nacht wegen einer Krise auf Station sieben in den Wachbereich verlegt worden, sie darf die Station gerade nicht verlassen.“ „Dann kann ich ja mit Timo noch die letzten zwei Strophen von seinem Lied aufnehmen.“ Damit die drei Musiktherapeuten ihren PatientInnen möglichst viel Kontinuität und Verlässlichkeit bieten können, ist ein hohes Maß an Flexibilität, Absprachen und Umsicht gefordert. Denn häufig werden die drei sich für den Rest des Tages buchstäblich nur noch die Klinke in die Hand geben. Während eine Musiktherapiestunde andauert, sitzen die nächsten jungen PatientInnen oft schon eine Weile vor der Tür des Krachraums und warten auf „ihren“ Musiktherapeuten.

Du musst auf dein Herz hören
In die Musiktherapiegruppe von Station 3 kommen heute nur vier Patientinnen. Eine fünfte, die 15-jährige Paula, besichtigt gerade eine therapeutische Wohngruppe (TWG), in die sie bald entlassen werden könnte. Dass Paula nach gut vier Monaten Klinikaufenthalt voraussichtlich für ein bis zwei Jahre nicht bei ihrer Familie wohnen wird, liegt vielleicht auch an dem, was sie in der Musiktherapie erlebt und erarbeitet hat: „Du musst auf dein Herz hören“, singt der Berliner Rapper Sido, die Textzeilen des Liedes laufen auf Youtube mit, ein riesiger Computermonitor, dicke Lautsprecher und die gemütliche Beleuchtung im Raum erinnern mehr an ein Musikstudio oder einen Bandübungsraum als an ein Krankenhaus. „…hör’, wie es lebt, wie es lacht, wie es weint“, singt Sido weiter.
In der nächsten Gruppenstunde erzählt Paula vom Besichtigungstermin in der TWG. „Kann ich das meinen Eltern wirklich antun, dass ich nicht mehr heimgehe?“ Nachdenkliches Schweigen bei den fünf Mädchen. „Aber hast du schon mal überlegt“, fragt eine Mitpatientin, „ob du dir das eigentlich selbst antun kannst – nach Hause zurückgehen?“ Tonnenschwere Fragen, wenn man gerade mal 15 oder 16 Jahre alt ist. Die Stimmung im Raum ist angespannt, einem Mädchen zittern die Beine, eine weitere knetet ihren Igelball. „Wollt ihr weiter reden oder lieber spielen?“, fragt der Musiktherapeut. Kaum ein Mädchen wagt einen Blick, so tief rühren die Themen in diesem Moment. „Spielen“, sagt schließlich Paula, die übrigen Mädchen nicken still. Das ist das Signal, auf das der Therapeut gewartet hat. Die fünf nehmen sich E-Gitarren, Mikrofon und Bass oder gehen an eines der beiden Keyboards. „Wie fängt nochmal die Strophe an? Erste Saite dritter Bund?“ Ein wenig dreht sich die Stimmung, jetzt ist erstmal Ed Sheeran dran: „I see fire“.
Die Patientinnen und Patienten des kbo-Heckscher-Klinikums sind in der Regel zwischen 6 und 18 Jahren alt und kommen aus allen Teilen des Regierungsbezirks Oberbayern. Dieser reicht mehr als 100 km über die Stadtgrenzen von München hinaus, das kbo-Heckscher-Klinikum ist damit laut statistischem Landesamt theoretisch für ca. 500.000 Kinder und Jugendliche versorgungspflichtig. Ein Großteil der stationären Aufnahmen ist ungeplant und führt über ein kurzfristig anberaumtes Gespräch mit einem Dienstarzt zunächst auf eine der drei geschlossenen Aufnahmestationen. Wer hier über Nacht bleibt, ist wirklich in Not und unmittelbar „selbst- oder fremdgefährdend“, wie es in der Fachsprache heißt.
Schon nach wenigen Tagen auf einer solchen Akutstation können viele PatientInnen auf eine von fünf weiterbehandelnden offenen Stationen verlegt werden. Dort wird deren weitere Perspektive im Dialog mit Eltern, Schule und manchmal auch dem Jugendamt erarbeitet. In einer teilstationären Tagesklinik werden die PatientInnen nach einem familientherapeutischen Ansatz behandelt. Dazu kommen noch drei Fachambulanzen mit einigen tausend Fällen pro Jahr. Als Klinikschule steht für alle PatientInnen die „Carl-August-Heckscher-Schule“ zur Verfügung. In dem Haus steckt richtig Leben.

Kann man mit Youtube die Seele heilen?
Die Musiktherapeuten Orlovius, Westphäling und Metzger arbeiten mit PatientInnen aus allen Fachabteilungen, sowohl in Einzelstunden als auch in Gruppen mit bis zu fünf Mädchen und Jungen. „Aber ich kann doch gar keine Noten!“, hören sie oft, wenn sie einen neuen Patienten, eine neue Patientin kennenlernen. Da ahnt dieser noch nicht, dass auf dem Keyboard im Krachraum kleine Aufkleber mit bunten Ziffern helfen, die richtigen Töne zu finden. Und dass es in der Musiktherapie sowieso nicht um die „richtigen“ Töne geht. „Sollen wir wieder Rot-Blau spielen?“, könnte zum Beispiel David Westphäling in einer Musiktherapiestunde fragen. Im Krachraum gibt es unter anderem LED-Leuchten, die ihre Farbe wechseln, wenn man einen genügend lauten Ton spielt. Durch etwas Geschick und Geduld kann man so mit den eigenen Tönen die Farben Rot und Blau in den Raum zaubern.
Geschick und Geduld scheinen auf den ersten Blick keine tiefschürfenden Therapieziele zu sein. Geht es nicht um Wichtigeres als bunte Lichter? Aber wie findet man den ersten Schritt zu verborgen sitzenden emotionalen Themen und Konflikten? „Niederschwelligkeit“ lautet ein zentraler Begriff in der Arbeitsweise der Musiktherapeuten in der Heckscherklinik. Gemeint ist damit, die Eingangsschwelle zu einer altersgemäßen, vertrauensfördernden Kontaktaufnahme für die PatientInnen möglichst niedrig zu halten. Kaum ein Medium dürfte aufgrund der Nähe zur unmittelbaren Lebenswelt junger Leute dafür geeigneter sein als die Musik, die Kinder- und Jugendliche auf ihren mp3-Playern und Handys täglich hören. David Westphäling hat als Student nach einem Praktikum bei seinen zukünftigen Kollegen Metzger und Orlovius eine Masterarbeit an der Uni Augsburg über das Thema geschrieben: „Von der Unverbindlichkeit zur Verbindlichkeit – Niederschwelligkeit in der Musiktherapie mit Jugendlichen“. Mittlerweile arbeitet Westphäling seit zwei Jahren selbst in der Heckscherklinik und leitet eigene Praktikanten an. Zur Niederschwelligkeit gehört im Krachraum zum Beispiel, dass die Therapiestunden manchmal einfach damit beginnen, auf Youtube gemeinsam Musik zu hören. Um so in die persönlichen Erfahrungs- und Herzenswelten der Kinder und Jugendlichen gemeinsam einzutauchen.
Kann man mit Youtube die Seele heilen? Diese Frage ist vielschichtig. Das Videoportal Youtube allein könnte im Zweifelsfall auch Schaden anrichten. Aber wenn ein Lied den Ausdruck geben kann für etwas Unsagbares, für ein ganz vages ungewohntes Gefühl, das PatientInnen gerade erst neu erkunden – dann kann Youtube auch helfen, einen Weg zu bahnen. Frei nach der Musiktherapie-Pionierin Rosemarie Tüpker könnte man sagen: „Ich höre Lieder, die ausdrücken, was ich nicht sagen kann.“ Manchmal wird zum Beispiel eine Misshandlungs-Thematik erstmals über eine Liedzeile oder ein Bild beim Musikhören auf Youtube plötzlich greifbar. Dann kann es oft noch einige Stunden dauern, bis im therapeutischen Dialog die Frage vielleicht offener angesprochen wird, ob eine körperliche oder seelische Misshandlung für den betreffenden Patienten eine relevante Erfahrung sein könnte. Musiktherapie mit Youtube bedeutet auch, mit größter Geistesgegenwart und Achtsamkeit auf das einzugehen, was Töne und Bilder anklingen lassen, um dann mit musikalischen Improvisationen und Rollenspielen oder auch einer therapeutischen Safe-Place- oder Körperwahrnehmungsübung das zu entwickeln, was trägt und hilft.

Brennpunktthema Smartphone und Soziale Medien
„Dürfen wir 187 hören?“, fragt forschend der 12-jährige Emre in einer Kleingruppe mit zwei weiteren Jungs an der Schwelle zur Pubertät. Die Berliner Band Straßenbande 187 polarisiert mit provokanten Texten und Musikvideos nicht nur Erwachsene, sondern häufig auch Jugendliche. „Nein Alter, ich hasse die!“, schießt der 11-jährige Anton ins Gespräch. Ein heißes Thema, der Krachraum ist jetzt in seinem Element. „Straßenbande geht in Ordnung“, sagt Orlovius, „aber nur, wenn Du am Schlagzeug mitspielst, Emre.“ Emre wägt das Risiko ab, sich vor seinen Mitpatienten am Schlagzeug womöglich zu blamieren. Die Kinder und Jugendlichen in ihrer unmittelbaren Erfahrungswelt absolut ernstzunehmen und „abzuholen“ und sie zugleich zum vertrauensvollen Spielen mit den Tönen und Instrumenten einzuladen, auch das steckt hinter dem unscheinbaren Wörtchen „Niederschwelligkeit“.
Das geht dann manchmal aber doch recht schnell in die Tiefe. „Was für ein Handy hast du eigentlich?“, fragt Orlovius. Emre beginnt stolz von seinem Smartphone und den neuesten Apps zu schwärmen und merkt nicht sofort, wie er in ein ziemlich ernstes Gespräch mit seinem Musiktherapeuten gerät. „Und verschickst du manchmal selbst Sachen, die eigentlich ein bisschen eklig sind?“ Emre zögert. Soll er es wagen dem Musiktherapeuten zu offenbaren, dass er mit seinem Handy in den sozialen Netzwerken schon sehr beschämende Erfahrungen gemacht hat? Auch wenn ihm das Wort „Cybermobbing“ nicht sehr geläufig ist – Emre könnte bereits Einiges darüber erzählen. Auch für diese Themen ist in der Musiktherapie der Heckscherklinik ein Platz.

Kleiner Dialog mit dem 8-jährigen Florian
Florian: „Das Herz geht nicht richtig.“
Therapeut: „Wie soll es denn gehen?“
Florian: „Gemütlich.“

Visite auf Station 3: Um den Oberarzt Dr. Thomas Boetsch versammelt sich am Donnerstagvormittag das multiprofessionelle Behandlungsteam und diskutiert ausführlich den aktuellen Stand aller PatientInnen auf Station. Aus allen Richtungen werden Beobachtungen und Fragen zusammengetragen. Wenn es die Zeit erlaubt, kommen zur Visite neben den beiden Assistenzärztinnen, der Stationspsychologin und KollegInnen vom Pflege- und Erziehungsdienst auch Ergo-, Kunst-, Sport-, Sprach- oder MusiktherapeutInnen zur Visite und nicht zuletzt die häufig sehr wichtige Kollegin vom Sozialpädagogischen Fachdienst. Dann sitzen sie manchmal zu zwölft um einen Tisch und fragen sich: Wie werden Paula und Ihre Eltern sich wohl entscheiden – für die therapeutische WG oder dagegen?
In der Visite spielt auch der Beitrag der Musiktherapeuten eine Rolle: Ja, in der letzten Stunde klang Paula so, als wäre die TWG wirklich eine Option für sie. Und beim Spielen an der Gitarre wirkte sie sicherer und entschiedener, sie konnte sogar ein wenig lächeln. Oft sind es auch diagnostische Hinweise, die aus der Musiktherapie heraus Impulse für die weitere Behandlung geben können: Ist Jeremy eher sozial ängstlich oder vielleicht doch Autist? Liegt hinter der ADHS-Symp­tomatik bei Melina eine unerkannte Depression? Können wir Jakob schon entlassen oder wäre es wichtig, ihn im Sinne einer Belastungserprobung noch für ein paar Tage von der Klinik aus in seine externe Schule zu schicken? So wichtig diese Zusammenschau in der Visite auch ist, häufig bleibt den Musiktherapeuten dafür nicht viel Zeit. Weil dann bereits eine nächste Patientin vor der Tür des Krachraums auf ihre Musiktherapiestunde wartet.
15:15 Uhr, eine Musiktherapiestunde im vierten Stock. Dieser Raum ist zugleich das Büro der drei Musiktherapeuten und der zweite reguläre Musiktherapieraum, der ihnen zur Verfügung steht. Das Zimmer ist sehr hell mit weiten Fenstern, etwas größer als der Krachraum. Neben dem Klavier steht ein Elektroschlagzeug, auf dem man mit ungebremsten Schlägen gerade noch erträglich laute Töne spielen kann, wenn Worte nicht mehr weiterhelfen. Der 8-jährige Jamie ist nämlich ziemlich geladen. Er soll sich schon nächste Woche aus der Klinik und aus der Musiktherapie verabschieden! Hinter dem Ärger und seiner Sorge vor der Entlassung liegt auch noch Jamies Traurigkeit. Aber für die ist noch kein Platz, jetzt muss erstmal der Ärger raus.
Jamie teilt am Elektroschlagzeug mit satten Schlägen in alle Richtungen aus, begleitet von den nicht minder scharfen Tönen seines Musiktherapeuten am Klavier. Nach einer Weile ebbt Jamies Gedonner ab, jetzt steht er erhobenen Hauptes im Raum. Noch ein kleiner Tritt gegen den Schrank, dann ist sein Ärger fürs Erste verflogen und neben ihm steht wie zufällig das Windspiel. Der Klang des Windspiels ist Jamies Abschiedssignal am Ende jeder Stunde. Das Ritual haben Herr Metzger und sein kleiner Patient seit der ersten Stunde entwickelt, aber heute ist etwas anders an der Art, wie Jamies Finger über die Metallstäbe gleiten: Zögerlich und leise, vielleicht sogar ein bisschen traurig. Und vielleicht wird die Traurigkeit über den Abschied aus der Klinik und aus der Musiktherapie in der kommenden, vorletzten Stunde ja noch ein wenig mehr Raum bekommen.

Musiktherapie im Eiscafé?
Ein wichtiges Ziel der drei Musiktherapeuten ist es, über den Weg der fast unscheinbaren Annäherung in einen herzlichen und belastbaren Kontakt mit den PatientInnen zu kommen, wenn möglich in eine persönliche Verbindlichkeit. Denn erst auf dieser Grundlage können die größeren und tieferen Themen wirklich angegangen werden. So wichtig dieser Beziehungsaufbau ist, so wichtig ist es aber auch, sich aus den entstehenden Verbindungen wieder gut zu verabschieden. Bei PatientInnen, die sich mit dem Herzen sehr auf die Musiktherapie eingelassen haben, kann das dann auch mal heißen, in der letzten Stunde gemeinsam hinaus auf die Straße und ins nächste Eiscafé zu gehen.
Die sogenannten Spezialtherapien, zu denen die Musiktherapie am kbo-Heckscher-Klinikum zählt, genießen ein hohes Maß an Wertschätzung innerhalb des Hauses. Das liegt nicht zuletzt am ärztlichen Direktor Prof. Dr. Franz-Joseph Freisleder und dem Geschäftsführer Anton Oberbauer sowie an der Leitenden Therapeutin Dr. Simone Baur. Sie überlassen es der fachlichen Kompetenz und Einschätzung „ihrer“ SpezialtherapeutInnen, zu tun, was sie für richtig und hilfreich halten. Und dazu darf dann eben auch gehören, mit einem Patienten oder einer Patientin Eis essen zu gehen. Dass das Konzept aufgeht, merkt man unter anderem dann, wenn ehemalige PatientInnen viele Jahre später plötzlich an der Pforte neben dem Aquarium stehen und fragen: „Ist der Herr Orlovius noch hier? Der war mal mein Musiktherapeut!“ Dann kann es vorkommen, dass Axel-Helge Orlovius mit einer ehemaligen Patientin knapp 20 Jahre später noch ein zweites Mal Eis essen geht und erzählt bekommt, wie es so weitergegangen ist mit dem Leben nach der Klinik.
Die 15-jährige Paula hat sich gemeinsam mit ihren Eltern dann übrigens tatsächlich entschieden in eine therapeutische WG zu gehen. Einige Wochen nach ihrer Entlassung steht sie plötzlich überraschend im Foyer mit einer ehemaligen Mitpatientin, die nach der gemeinsamen Zeit auf Station noch in der Tagesklinik ist. Als die beiden an der Treppe zum Untergeschoss zufällig auf ihren ehemaligen Musiktherapeuten treffen und merken, dass er ein paar Minuten Zeit für sie hat, tauschen die Mädchen ein paar rasche Blicke, dann traut sich Paula zu fragen: „Können wir kurz in den Krachraum?“

*Die Namen und das Alter von PatientInnen sind in allen Fallvignetten geändert und lassen keine Rückschlüsse auf konkrete Personen zu.

Das Copyright für die Außenaufnahme liegt beim kbo-Heckscher-Klinikum gGmbH, alle übrigen Fotocredits beim Autor.

Die Autoren:

Michael Metzger
Dipl. Musiktherapeut (Hochschule der Künste, Berlin), B.A. Music and Psychology (London University). Seit 2010 Musiktherapeut am kbo-Heckscher-Klinikum. Langjähriges Mitglied der musiktherapeutischen Balintgruppe von Dr. Wolfgang Strobel, dreijährige Fortbildung in Prozessarbeit nach Arnold Mindell (IAPOP).

David Westphäling
Master Musiktherapie (Universität Augs­burg), Mag. für angewandte Sozialwissenschaften (Hochschule Vorarl­berg). Zusatzausbildungen als TrommelPower-Trainer und im Theater der Unterdrückten nach A. Boal. Musiker in verschiedenen Projekten und Bands. Seit 2016 Musiktherapeut am kbo-Heckscher-Klinikum.

Axel-Helge Orlovius
Dipl. Sozialpädagoge (FH). Seit 1990 Musiktherapeut und seit 2000 Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeut am kbo-Heckscher-Klinikum. Seit Jahrzehnten aktiver Live-Musiker in verschiedensten Bandformationen. Nebenberuflich als Bandcoach für Jugendlichenbands in eigenen Musik- und Studioräumen tätig.

kbo-Heckscher-Klinikum gemein­nützige GmbH
Dr. Simone Baur
Leitende Therapeutin
Deisenhofener Straße 28
D-81539 München
Telefon +49-89-9999-0
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