Musiktherapeutischer Klinikspaziergang

Vorstellung der DianaKlinik

Von Elke Rohde

Mit rund 500 Betten und etwa 7.000 behandelten Patienten pro Jahr ist das Haus eine der größten Fachkliniken für Rehabilitation und Akutmedizin in Norddeutschland. Die Fachabteilungen Neurologie, Orthopädie, Psychosomatik sowie Akut- und rehabilitative Geriatrie bieten den Patienten ein breites, sich ergänzendes Behandlungsspektrum.
Gegründet wurde die DianaKlinik 1974. Gut eingebunden zwischen Hamburg und Hannover liegt sie am Rande des Kurparks inmitten der Kurstadt Bad Bevensen in der östlichen Lüneburger Heide. Aufgrund einer steigenden Nachfrage nach Rehabilitationsleistungen wurde die DianaKlinik unter der Leitung des ärztlichen Direktors Prof. Dr. J. Gerber während der vergangenen Jahre mit einem hohen Qualitätsanspruch kontinuierlich ausgebaut und an aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen angepasst.
Die Schwerpunkte der DianaKlinik liegen auf den Fachbereichen Geriatrie, Neurologie, Orthopädie und Psychosomatik.
Das breit gefächerte, interdisziplinäre Therapieangebot reicht von klassischen Verfahren bis zu Methoden auf der Basis jüngster Erkenntnisse der Hirnforschung. Neben der DianaKlinik gehören zur Diana-Gruppe auch das Herz- und Gefäßzentrum (HGZ), eine Krankenpflegeschule sowie eine Schule für Physiotherapie. 

Die Abteilung Neurologie
In der Abteilung Neurologie steht die Arbeit mit Patienten im Fokus, bei denen neurologische Erkrankung diagnostiziert wurden, die zu starken Einschränkungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit führen. Mithilfe einer gezielten neurologischen Rehabilitation schaffen die Spezialisten der Neurologie die bestmöglichen Bedingungen, um die Patienten auf dem Weg zur Re-Integration in ihr soziales Umfeld sowie bei der Bewältigung von Krankheitsfolgen zu begleiten. Darüber hinaus werden all jene Risikofaktoren behandelt, die zu der jeweiligen Erkrankung geführt haben und/oder eine Neuerkrankung begünstigen.
Zum Leistungsspektrum der Neurologie gehört eine Vielzahl von unterschiedlichen stationären wie auch ambulanten Angeboten. Diese bieten Patienten in den verschiedensten Stadien
ihrer Erkrankung und Möglichkeiten individuell auf sie zugeschnittene Therapieverfahren. Am häufigsten behandelte Krankheitsbilder sind Schlaganfälle, Schädel-Hirn-Verletzungen, Verletzungen des Rückenmarks, entzündliche Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose), Hirn- und Rückenmarkstumore oder degenerative Erkrankungen des Nervensystems (z.B. Morbus Parkinson).
Unter der fachärztlichen neurologischen Leitung gehören unter anderem Neuropsychologen, Physio- und Ergotherapeuten sowie physikalische Therapeuten, Logopäden und Sprachtherapeuten und Musiktherapeuten zum Team.

Musiktherapie in der DianaKlinik
Im Jahr 2012 wurde das Therapieangebot der DianaKlinik durch die Bereiche Musiktherapie und Hippotherapie erweitert. Der Musiktherapieraum liegt im vierten Stock der Klinik in unmittelbarer Nähe zu den neurologischen Stationen und ist ein heller, etwa 27qm großer und schallgeschützter Raum. Meistens werden die Patienten ärztlicherseits angemeldet, hin und wieder empfehlen auch therapeutische Berufsgruppen und Neuropsychologen Patienten zur Musiktherapie.
In der Regel bleiben die Patienten 3 bis 6 Wochen in der Reha, weshalb die Musiktherapie in diesem Kontext als Kurzzeittherapie zu verstehen ist. Im Erstkontakt sind in einer geschützten und vertrauensvollen Atmosphäre eine differenzierte Indikation und die Bedürfnislage des Patienten ausschlaggebend – hierbei wird ausgelotet, ob die Musiktherapie vorwiegend bezie-hungsorientiert oder funktional ausgerichtet wird.
Sofern Letzteres der Fall ist, wird der Behandlungsschwerpunkt auf die Neurologische Musiktherapie (NMT) nach Thaut gelegt. Die Trainingstechniken werden insbesondere bei Patienten mit Einschränkungen in der Sensomotorik, wie z. B. bei armbetonter Hemiparese oder Feinmotorikstörung, angewendet (PSE, TIMP). Betreffen die Folgen durch die Erkrankung wiederum den Bereich der Sprache, werden verschiedene Techniken aus dem musikalischen Sprach- und Sprechtraining eingesetzt (TS, OMREX, MUSTIM, VIT). Dies ist z. B. bei einer schweren, unflüssigen Aphasie, Sprechapraxie oder Dysarthrie der Fall.
Liegt das Ziel in der psychischen Stabilisierung des Patienten, wie z. B. bei erschwerter Krankheitsverarbeitung, kommt eine tiefenpsychologisch orientierte Musiktherapie zum Tragen. Hierbei kann der Patient belastende Gefühle im Kontext der Erkrankung nonverbal und im Gespräch zum Ausdruck bringen. Daneben ermöglicht die Musiktherapeutische Tiefenentspannung (MTE) nach Decker-Voigt
Patienten, ein imaginatives Entspannungsverfahren mit Musik auszuprobieren. Das kann z. B. bei stressabhängigen körperlichen Beschwerden oder inneren Spannungszuständen angebracht sein – mit dem Ziel, die Entspannungsfähigkeit zu unterstützen.
Die Musiktherapiebehandlungen werden überwiegend in Einzelsitzungen angeboten und finden zwei Mal pro Woche im Musiktherapieraum statt. Jede Sitzung dauert – inklusive Vor- und Nachbereitung – bei einem funktionalen Training 30 Minuten, bei der Krankheitsverarbeitung oder Tiefenentspannung 60 Minuten.
Interdisziplinäre Kooperationen bestehen vor allem mit dem Bereich der Physiotherapie. So gibt es das Angebot einer Kleingruppe, in der unter physiotherapeutischer Anleitung auf der Grundlage des NMT-Konzepts die Hand- und Armmotorik nach einem Schlaganfall mit Musikunterstützung trainiert wird. Eine weitere Kooperation besteht mit der eingangs erwähnten Physiotherapieschule, indem die
Auszubildenden im Rahmen ihres Neuro-Praktikums für einen Vormittag in der Musiktherapie hospitieren. Zu den qualitätssichernden Maßnahmen des Therapiebereichs zählen unter anderem die regelmäßige Teilnahme an externer musiktherapeutischer Supervision als Präsenzveranstaltung sowie der kollegiale Austausch mithilfe von Intervision zu Themen der Neurologischen Musiktherapie in Form zweier Videokonferenzen (Global Support Meeting der NMT Academy Toronto, Regional Support Meeting Germany).

Fallbeispiel 1 – Neurologische Musiktherapie
Frau B., 80 Jahre, hat nach einem Hirnstamminfarkt eine beinbetonte Hemiparese links mit einer daraus resultierenden Stand- und Gangunsicherheit. Aufgrund einer Apraxie ist ihr die Fähigkeit für die
planerische Ausführung der Bewegung abhandengekommen, ihren linken Fuß zu heben, wodurch sie auf den Rollstuhl angewiesen ist. Ihre Physiotherapeutin empfiehlt Frau B. für die Neurologische Musiktherapie zum sensomotorischen Training und gibt uns mehrere funktionale Übungen mit an die Hand.
Zunächst biete ich Frau B. das Therapeutische Instrumentalspiel (TIMP) an. Dabei werden Musikinstrumente auf unkonventionelle Art gespielt und räumlich so angeordnet, dass die angestrebte Bewegung, wie im Falle von Frau B. – Fußhebung und Hüftbeugung – trainiert wird. In einer der Übungen liegt Frau B. mit angewinkelten Beinen in Rückenlage auf einer Behandlungsliege. Zunächst zieht sie die Fußspitze ihres betroffenen Beins nach oben und berührt dadurch die Spielfläche eines Tamburins, das ich ihr am Fuß darbiete. Anschließend führt sie das linke Knie seitlich nach außen und bringt die Schellen des Tamburins erneut zum Klingen.
Zu Beginn ist die Umsetzung für Frau B. mühsam, doch energisch setzt sie immer wieder neu an und macht weiter. Da die Patientin währenddessen auf meine Unterstützung angewiesen ist, wird als Musikbegleitung eine rhythmisch angepasste Trainingsmusik vom Tonträger abgespielt. Nach mehreren Sitzungen kann die eingeübte Bewegungsabfolge schließlich mithilfe des Musikalischen Sequenztrainings (PSE) im Stehen gefestigt und als Vorübung für das Gehen erweitert werden.
Die Sitzung findet in Co-Therapie mit
einer Physiotherapieschülerin statt, die Frau B. beim Üben taktil unterstützt. Zunächst verbalisiere und rhythmisiere ich die anzubahnende Bewegung für das Heben und Nachvornesetzen des linken Beines mit den Worten „Hoch – vor – und Schritt“, bevor ich die Zielbewegung auf der Autoharp musikalisch vertone. Das Musikmuster gibt Frau B. dabei vor allem eine zeitliche und räumliche Orientierung für die Ausführung ihrer Bewegung. Die Patienten sagt, sie könne die Bewegung so besser verinnerlichen.
Nach ein paar Durchläufen wird die Bewegungsabfolge flüssiger und die Schülerin wählt eine Folgeübung aus. Am Ende des Rehabilitationsaufenthalts ist die Fußhebung der Patientin noch beeinträchtigt. Dennoch ist Frau B. inzwischen wieder in der Lage, mit einem Rollator zu gehen und Treppen zu steigen, sodass sie sich zufrieden verabschiedet.

Fallbeispiel 2 – Krankheitsbewältigung
Herr F., 64 Jahre, ist infolge einer Polyneuropathie von einer Stand- und Gangunfähigkeit betroffen und wird ärztlicherseits zur krankheitsverarbeitenden Musiktherapie angemeldet. Bei unserem Kennenlernen macht er einen in sich ruhenden und nachdenklichen Eindruck. Im Gespräch entsteht zunächst ein gemeinsamer Blick auf seine bisherige Lebenssituation und wie diese sich seit der Erkrankung verändert hat. Auf dieser Grundlage lade ich Herrn F. zu einem themenbezogenen, improvisierenden Spiel auf selbst gewählten Instrumenten ein.
Für die erste Musik („Das Bisherige“) entscheidet sich Herr F. für größere Klangschalen. Diese spielt er, mit einem Schlegel in der Hand, schwungvoll an, sodass ein durchdringender Klang zu hören ist, der nach einiger Zeit weicher wird und schließlich angenehm verklingt, während ich ihm mit dem Spiel auf der Sansula ein Gefühl spürbarer Präsenz vermittle. Anschließend erinnert sich Herr F. an persönliche Einschläge in seinem Leben und dass es lange Zeit brauchte, bevor er diese Erfahrungen in die bestehenden Lebensbereiche integrieren konnte.
Für die zweite Musik in dieser Sitzung, die sinnbildlich für „Das Jetzige“ steht, wählt Herr F. eine Melodica und spielt darauf kurze, auf- und abwärts führende Melodien, die in langanhaltende Töne übergehen und von mir am Klavier musikalisch stützend aufgegriffen werden. Es entsteht eine wehmütig klingende Musik, die uns beide berührt und die es Herrn F. ermöglicht, seine Traurigkeit über das schmerzliche Wissen, dass sein Leben jetzt unerwartet anders geworden ist, zuzulassen und die mit dem Vermissen von alltäglich Vertrautem sowie dem Gefühl von verlorengegangener Selbstständigkeit einhergeht.
In den Folgesitzungen thematisiert und vertieft Herr F. diese Verlustgefühle mithilfe von musikalischer Improvisation und in daran anknüpfenden Gesprächen. Dabei stellt die Musik für ihn vor allem eine Möglichkeit des emotionalen Ausdrucks bereit und spiegelt seine Gefühle.
Obgleich des wohl zu erwartenden langwierigen Verlaufs dieser Erkrankung vermittelt die potentiell günstige Prognose Herrn F. Hoffnung und Mut, während sie ihm wiederum viel Geduld und ein planerisches Vorgehen im Nahzielbereich abverlangt. In der Musiktherapie erweisen sich in dieser Phase der gemeinsame Blick auf Ressourcen, die Herrn F. zur Verfügung stehen, und der wiederkehrende Austausch über das, was sich auf körperlicher Ebene durch die funktionalen Therapien positiv verändert hat, als förderlich. Außerdem nimmt Herr F. an der Musiktherapeutischen Tiefenentspannungsgruppe teil.
Während seiner Reha macht Herr F. im interdisziplinären Kontext, seinen Worten nach, häufig die Erfahrung, dass auf seine Bedürfnisse individuell eingegangen wird und er die Therapien aktiv mitgestalten kann. Das bestärkt ihn in seinem Gefühl, sich handlungsfähig zu erleben. Innerhalb der Musiktherapie wird diese Erfahrung insbesondere durch das Bereitstellen eines leistungsfreien und geschützten Raumes unterstützt – er bietet Herrn F. einen Platz für seine jeweilige emotionale Gefühlslage an. Dazu gehören im Weiteren auch Musikimprovisationen, die bei Herrn F. mit positiven Gefühlen einhergehen, welche, neben seinen Verlustgefühlen, hier ebenso einen geeigneten Platz finden.
In einer unserer späteren Sitzungen klingt die Improvisation des Patienten, dieses Mal auf Trommeln, energisch und rhythmisch, während ich sein Spiel kraftvoll am Gong untermale. Die Musik erleichtert
Herrn F. innerlich und es entsteht der Eindruck, als ob er seine ganze mentale und körperliche Energie spüren und diese Durchsetzungskraft für das weitere Erreichen seiner Ziele mobilisieren möchte. Am Ende des Behandlungszeitraums erlebe ich Herrn F. agiler und er beschreibt seine Stimmung dahingehend, „gut bei sich“ zu sein. Auch könne er sich inzwischen im Umgang mit seiner Erkrankung „gut managen“.

Ausblick
In der Neurorehabilitation stellen die verschiedenen musiktherapeutischen Behandlungsansätze eine vielfältige Methodik dar, die es in der Therapie ermöglicht, ein facettenreiches und individuell abgestimmtes Therapieangebot zu entwickeln. Über das Medium Musik können im Gehirn verschiedene Netzwerke aktiviert und mehrere Wirkebenen gleichzeitig angesprochen werden. Das macht Musik zu einem auffallend wirkungsvollen Antrieb für die als „Neuroplastizität“ bezeichneten Vorgänge. Insbesondere die Neurologische Musiktherapie stellt in den Rehabilitationsphasen C und D einen sehr kopplungsfähigen Behandlungsansatz für eine co-therapeutische Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen dar, der bei funktionellen Störungen dazu beitragen kann, Therapieeffekte positiv zu verstärken.
Nach Ansicht der Autorin werden in Zukunft die Entwicklung von musiktherapeutischer Testdiagnostik, weitere Forschungsergebnisse über die Wirkebenen in der Musiktherapie sowie eine gesetzliche Regelung der Musiktherapie als künstlerische Therapieform von großer Bedeutung sein, um diesen Beruf in die Therapiestandards für Rehabilitation und in weiteren Arbeitsfeldern fest zu verankern. 

Elke Rohde
geb. 1979, Musiktherapeutin (M.A., NMT-F, DMtG), Dipl.-Sozialpädagogin (FH), Krankenschwester. Seit 2012 in der DianaKlinik Bad Bevensen tätig.
Homepage: https://www.diana-klinik.de/
Fotos: DianaKlinik