Praxisvorstellung
Naturtonmusik Instrumentenbau und Musiktherapie – plötzlich macht alles Sinn
Von Martin Kucera
Slowakei, Schweiz, das Handwerk und die Geisteswissenschaften
In einfachen Verhältnissen in der Schweiz aufgewachsen als Sohn einer Schweizerin und eines mit seiner Familie aus der Slowakei nach der sowjetischen Okkupation 1968 geflüchteten Slowaken, nahm ich meine Familie immer als sehr akademisch orientiert wahr. Als Kind und als Teenager war ich fasziniert von Naturwissenschaftlern, von Philosophen und war „dem Denken“ sehr zugeneigt. Es zeigte sich aber dann doch, dass da etwas fehlte. So machte ich eine Schreinerlehre und bewegte mich in der Welt des Handwerks. Und auch hier fehlte mir etwas. Es fühlte sich für mich immer so an, als ob diese zwei Bereiche, die akademische geistes- und naturwissenschaftliche Welt und das Handwerk, sich gegenseitig fast ausschlossen. Es folgten Arbeitserfahrungen in verschiedensten Berufsfeldern und über den Zivildienst fand ich meinen Weg zum Sozial- und Gesundheitswesen. Und fast aufgrund eines Zufalls bzw. einigen aufeinanderfolgenden Zufällen begann ich mein Studium der Musiktherapie am FMWS in der Schweiz bei Joachim Marz, Hans-Helmut Decker Voigt, Susanne Bossert, Ben Schwarz, Gitta Strehlow und Corinne Galli vom Leitungsteam sowie den zahlreichen ausgezeichneten Gastdozenten. Gleichzeitig tauchten auch verschiedenste Figuren meiner Familie in neuer Betrachtung auf, wohl auch der intensiven Selbsterfahrung im Studium geschuldet. Figuren, welche diese beiden Welten der Geisteswissenschaften und des Handwerks auf ihre Art und Weise erfolgreich miteinander verbanden. So wies z.B. mein Großvater einen für damalige Zeiten einzigartigen Lebenslauf auf, und die prägende Wirkung auf mich und meinen Lebenslauf dieser Menschen wurde mir plötzlich bewusst.
Mein musikalischer Werdegang
Schon mein ganzes Leben befasste ich mich sehr selbstbestimmt mit Musik. Schon im Kindergarten war es mein Wunsch das Cellospiel zu erlernen, und die Liebe zu Rhythmus und Strukturen brachte mich nach neun Jahren mit dem Cello zum Schlagzeug.
Während meiner Schreinerlehre nutzte ich die Werkstatt meines Lehrbetriebs, um hier meine eigenen Snaretrommeln zu bauen, was also den Startschuss zum Instrumentenbau darstellt.
Da Musik und Klang mich immer in ihrer Ganzheit faszinierten, erfüllte ich mir später den Traum eines eigenen kleinen Musikstudios und widmete mich dem Sounddesign. Mit in der Natur
mit kreativen Recordingkonzepten aufgenommenen Klängen, welche mittels neuer, computergestützter Mittel zu Klangskulpturen und Clubmusik wurden. Hier war es mir jeweils ein Anliegen, selbst komplexeste musikalische Formen und rhythmische Strukturen so einfach zugänglich wie möglich für jedermann zu gestalten.
Handwerk, Geisteswissenschaften, Musiktherapie – wie geht das nun zusammen?
Das FMWS, heute FMAS unter dem Dach des FMWS, integrierte seit Beginn den prozessorientierten Instrumentenbau als therapeutische Methode in die angebotenen Aus- und Weiterbildungen. So offenbarte sich während des Studiums meine Berufung des Instrumentenbaus in Verbindung mit Musiktherapie.
Da gleichzeitig Joachim Marz nach einem Nachfolger für Naturtonmusik Instrumentenbau gesucht hat, ergab sich daraus die für mich schicksalhafte Fügung, dieses große Pionierwerk
mit der ihm gebührenden Ehre weiterführen zu dürfen. Naturtonmusik war und ist wegweisend für die gesamte Szene des Instrumentenbaus.
Für mich machen somit plötzlich all die verschiedenen Bausteine meiner beruflichen Laufbahn Sinn. Handwerker, Musiker, Instrumentenbauer und Musiktherapeut zu sein, fügt sich so zu einem sinngebenden Ganzen. Gerade der funktionelle Ansatz in der Musiktherapie, so z.B. in der neurologischen Rehabilitation oder der Schmerztherapie, liegt mir sehr. Der Zugang zu Instrumenten als Instrumentenbauer erschafft nicht selten neue Herangehensweisen der Nutzung von Instrumenten in der Therapie. Diesen funktionellen Ansatz kombiniert mit einer psychodynamischen und / oder körperorientierten Herangehensweise empfinde ich als großes Potential in der Musiktherapie, er entwickelte sich zu meinem derzeitigen Schwerpunkt als Musiktherapeut.
Instrumentenbau am FMAS
Als Dozent für prozessorientierten Instrumentenbau am FMAS ist es mir ein Anliegen, dieses Potential des Instrumentenbaus für die Musiktherapie den Studenten aufzuzeigen und sie für diese Thematik zu begeistern. Ein vertieftes Verständnis des Instrumentenbaus, selbst Instrumente zu bauen, ja sogar selbst Instrumente zu entwickeln, sich mit den Wirkfaktoren des therapeutischen, prozessorientierten Instrumentenbaus zu befassen und auch die Physik der Klangentstehung und der Resonanz zu verstehen, erachte ich als sehr wertvoll für zukünftige Musiktherapeuten.
Die Werkstatt im Biosphärengebiet
Naturtonmusik Instrumentenbau wurde von Joachim Marz gegründet und existiert seit 1982. Im Sommer 2020 von mir übernommen, befindet sich Naturtonmusik nun in Gomadingen auf der wunderschönen Schwäbischen Alb inmitten des von der UNESCO zertifizierten Biosphärengebiets Schwäbische Alb, wo ich jetzt lebe und arbeite.
Gute zwei Monate nach dem Einzug in die neue Werkstatt organisierte ich einen Tag der offenen Tür, womit ich auch der lokalen Bevölkerung meine Arbeit vorstellen wollte. Der Tag war ein voller Erfolg, im Vorfeld wurde ich von einer Journalistin angefragt und es erschien ein Bericht über Naturtonmusik Instrumentenbau in verschiedenen Regionalzeitungen. Eine Woche später stand ein Team des SWR in der Werkstatt, um einen Kurzbericht über mich und meine Arbeit aufzuzeichnen. Dieser wurde dann danach in der SWR Landesschau im Fernsehen ausgestrahlt.
Ein Umbruchjahr
Ein sehr intensives Jahr 2020 steht hinter mir – womit ich nicht der einzige bin. Während der Pandemie und unklarer, unbeständiger Grenzsituation zwischen der Schweiz und Deutschland
und immer wieder neuen gesetzlichen Bestimmungen bin ich mit meiner Partnerin in ihre Heimat, die Schwäbische Alb, ausgewandert und habe eine ganze Instrumentenbauwerkstatt
umgezogen. Die Firma Naturtonmusik habe ich übernommen und am neuen Standort als neuer Geschäftsführer neu gegründet und etabliert und in neuer Festanstellung als Musiktherapeut in einem Krankenhaus gearbeitet. Dies in einem zwar in vielen Punkten sehr ähnlichen Land, welches aber doch einige systemische Unterschiede zur Schweiz aufweist. Dieses Jahr hat mich stark herausgefordert. Umso dankbarer bin ich der großen Unterstützung von Freunden, Familie, ehem. Dozenten wie Hans-Helmut Decker-Voigt und natürlich Joachim Marz.
Die Instrumente von Naturtonmusik
Die von mir gebauten Instrumente sollen für alle Menschen zugänglich, wohlklingend und für alle spielbar und/oder erlebbar sein, egal welches Alter, welche kulturelle Prägung oder welche Fähigkeiten jemand besitzt.
Ausgereift in höchster handwerklicher Qualität, Musikalität und Resonanzverhalten sowie therapeutischer Praktikabilität gehören die von Joachim Marz entwickelten Instrumente Behandlungsmonochord, Kotamo und Körpermonochord heutzutage zum musiktherapeutischen Standardinstrumentarium und sind aus keiner modernen musiktherapeutischen Praxis
mehr wegzudenken. Sie stehen fast schon sinnbildlich für Musiktherapie. Sie sind den Patienten oft nicht direkt bekannt und meistens unbelastet hinsichtlich ihres Appellwerts. Sie laden
zum Anfassen und freien Ausprobieren ein. Manch einer traut sich auf einem Kotamo erste Melodien ertönen zu lassen, wohingegen er bei Gitarre oder Klavier sich vielleicht nicht traut.
Neue Instrumente tun hier neue, davor oft unbekannte Welten auf und lassen die Klienten sich unbeschwert ausprobieren.
Als Handwerker, Musiker und Therapeut ist mir wichtig, dass die Instrumente den höchsten Ansprüchen aller drei Bereiche genügen sollen. Nicht benötigte Details ohne genügend Nutzen für die therapeutische Praktikabilität sucht man bei den Instrumenten von Naturtonmusik vergebens. Genauso ist auch die Konstruktion darauf ausgelegt, den physikalischen Prinzipien zu folgen, welche die besten Klangeigenschaften garantieren. Die Materialwahl verfolgt daneben stets auch das Ziel ansprechendster Ästhetik für Augen, Hände und Ohren.
Dein eigenes Instrument von Naturtonmusik Instrumentbau
Die Instrumente sind direkt über die Naturtonmusik Instrumentenbauwerk-statt im Direktvertrieb zu beziehen und können in der Werkstatt selbst abgeholt, versendet oder von mir geliefert
werden. Die Instrumente von Naturtonmusik befinden sich weltweit auf allen Kontinenten im Einsatz und genießen beste Reputation. Bereits vor der Fertigung stehe ich mit den Kunden
in engem Kontakt und wir wählen gemeinsam das Holz, die Besaitung bzw. Stimmung der Instrumente und weitere Details aus. So ist der zukünftige Besitzer des Instruments von Anfang an in den Fertigungsprozess miteingebunden.
Daneben bietet Naturtonmusik allen Menschen auch die Möglichkeit ihr eigenes Musikinstrument selbst in einem Instrumentenbaukurs herzustellen und den Umgang damit und die physikalischen Hintergründe von Musikinstrumenten kennenzulernen. Den Kontakt zur Arbeit mit den eigenen Händen, mit natürlichen Materialien und den körperlichen Aspekt handwerklichen Schaffens erachte ich als sehr wertvoll für alle Menschen. Der gemeinsam gestaltete Prozess und die gegenseitige Hilfe in einem Instrumentenbaukurs, in welchem wunderbare, individuelle Kunstwerke entstehen, bildet hierfür die Basis. Natürlich ist mir gerade hier sehr wichtig, dass die Teilnahme für alle Menschen möglich sein soll, egal welches Alter, welche kulturelle Prägung oder welche Fähigkeiten jemand besitzt.
In der Werkstatt findet sich viel Platz, damit mehrere Personen angenehm arbeiten können. Aufgrund der zwei Fensterfronten ist es in der Werkstatt ausgesprochen hell und freundlich.
Akkreditierung der Instrumentenbaukurse als Fortbildung DMtG
Zukünftig werde ich die Akkreditierung der Instrumentenbaukurse bei Naturtonmusik Instrumentenbau als Fortbildung für Musiktherapeuten DMtG beantragen. Als Handwerker, Instrumentenbauer und Musiktherapeut glaube ich, dass der Prozess des Instrumentenbaus für alle Musiktherapeuten eine sehr wertvolle und nachhaltige Erfahrung ist.
Die Musiktherapie?
Das Ambiente der Räumlichkeiten einer ehemaligen kleinen Nähfabrik strahlt eine nostalgische Wärme aus. Es gibt einen großzügigen Eingangsbereich mit vierstufiger Treppe und ums Eck eine kleine Kaffeeecke. Im Flur hängen an der Wand noch eine alte Stempeluhr und die Stempelkarten. Diese hier hängen zu lassen, war für mich eine Selbstverständlichkeit – strahlen Sie doch einen industriellen Charme aus und erinnern an die Geschichte dieser Räumlichkeiten, welche ich nun mit neuem Leben und mit Klang und Musik befülle. Am Ende des Flurs befindet sich die Tür zur geräumigen, dank zwei komplett verglasten Fronten sehr hellen Werkstatt.
Gehen wir im Flur zurück, befindet sich gegenüber der kleinen Kaffeeecke, wo auch immer mindestens eine angebrochene Tafel Schokolade zu finden ist, die Tür zum Showroom / Therapieraum.
Die Infrastruktur, hier Musiktherapie anbieten zu können, ist in den Räumlichkeiten von Naturtonmusik gegeben. Es gibt hier nicht nur das Instrumentarium von Naturtonmusik anzusehen, anzufassen und anzuspielen, sondern auch Instrumente einer jeden Instrumentengattung und aus aller Welt. Viele davon habe ich natürlich selbst gebaut, und als schon immer sich mit Klang, Instrumenten und Musik sich befassender Mensch finden sich viele Besonderheiten und Schätze aus verschiedensten Kulturen.
Abklärungen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um hier Musiktherapie anbieten zu können, sind im Gang. Um hier aber keine Fehler zu begehen, habe ich noch nicht begonnen hier in selbstständiger Tätigkeit Musiktherapie anzubieten. Doch auch dies wird kommen, denn Interesse und Anfragen für Einzelmusiktherapiestunden sind vorhanden. Auch hier wird mein derzeitiger Schwerpunkt wahrscheinlich die Thematik Schmerz, neurologische Rehabilitation und Psychosomatik sein. Daneben liegt mir der interkulturelle Austausch am Herzen. Die Verbindung der Musiktherapie mit Instrumentenbau ist meine Berufung, und ich glaube in Zukunft großes therapeutisches Potential mit sich bringend.
Der Autor:
Martin Kucera
Geschäftsführer Naturtonmusik Instrumentenbau
Musiktherapeut (FMWS)
Mitglied der DMtG
Dozent für prozessorientierten Instrumentenbau am FMAS
Arbeitsfelder: Schmerztherapie, Psychiatrie, Psychosomatik, neurologische Rehabilitation
Naturtonmusik Instrumentenbau
Martin Kucera
Sternbergstraße 25
72813 Gomadingen
Deutschland
+49 160 95621643
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www.naturtonmusik.de
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www.naturtonmusik.ch