Von MuKs zu MuGs. "Übergänge in einer Zeitschrift" anlässlich meines Abschieds von ihr nach 46 Jahren

Von Hans-Helmut Decker Voigt

„Formate“ sind Gefäße. Deren Inhalte spiegeln unser Wissen in seinen
Übergängen. Wenn sich Wissen in der
Triade Praxis, Theorie und Forschung
begegnet, dann „zeigt sich ein Gegensatz
zwischen Wissenschaft und Praxis. Die Wissenschaft ist wesenhaft unabgeschlossen – die Praxis verlangt Entscheidungen im Augenblick.“ Der Philosoph Hans-Georg Gadamer in „Über die Verborgenheit der Gesundheit“ (1993, Suhrkamp).
Die nachfolgende Auflistung mit MuK und MuG-Themen möge einen Spiegel ohne Rahmen für die Übergänge skizzieren.
Die Vorgänger-Zeitschrift für die heutige MuG: MuK.
1978 bis 1985: „Musik und Kommunikation MUK– Zeitschrift für Medienpädagogik und Medientherapie in der sozialen Praxis“. Halbjahreszeitschrift, Eres Edition, Lilienthal/Bremen. Farbe: Orange. Keine Verwandtschaft mit der damals in Westeuropa boomenden Bhagwan-Bewegung, erkennbar an deren gleichfarbigen Habit. Beabsichtigte Verwandtschaft: Mit der von der damaligen Deutschen Ges. für Musiktherapie (heute DMtG) herausgegebenen „Musiktherapeutischen Umschau“, der wissenschaftlichen Zeitschrift aller musiktherapeutisch Tätigen in Praxis, Lehre und Forschung.
Ich gab sie von meinem damaligen Dienstort Düsseldorf heraus in Verbindung mit Kolleg:innen der Arbeitsgemeinschaft von Musikdozenten (Gender war in ebenso weiter Ferne wie digitale PCs und Laptops) an Fachhochschulen für Sozialwesen.
Unter den vier Mitherausgebern und zehn ständigen Mitarbeitern die Musiktherapeuten Prof. Johannes Th. Eschen, Hannover, Prof. Dr. Paolo J. Knill, Cambridge/USA, Thomas Maler, Reinsbek. Unter den 55 Autor:innen weitere Namen, die im späteren Hochschulbereich für die Musiktherapie mit Basis legten wie Prof. Dr. Almut Seidel, Prof. Dr. Dr. Klaus Finkel u.s.w.
Die ersten Themenschwerpunkte:
Heft 1: Improvisation 2) Musik und Emotion 3) Schulsozialarbeit 4) Medien in der Arbeit mit Kindern 5) Musik-Spiel-Theater 6) Sozialpsychologische Beratung 7) Stadtteil-Gemeinwesenarbeit 8) Musikalische Entwicklung 9) Musik und Körper 10) Musik mit älteren Menschen.
Übergang der Halbjahreszeitschrift unter demselben Titel 1987 in die Reihe der „Hamburger Jahrbücher zur Musiktherapie und intermodalen Medientherapie“, die ich in Verbindung mit den Kollegen Johannes Th. Eschen und Wolfgang Mahns in der Eres Edition dank des persönlich involvierten Verlegers Horst Schubert weiterführte, nun mehr von Hamburg aus (s. auch S. 28 der Beitrag von Wolfgang Mahns in dieser Ausgabe).
Unter den Autor:innen: Katja Loos, Shaun McNiff, Elizabeth McKim, Beate Mahns, Karl Hörmann, Margot Fuchs mit dem Breitbandspektrum Musiktherapie und weiterer künstlerischer Therapien intermodalen Charakters und der Referent:innen von Kongressberichte (z. B. vom Musica-Kongress 1987).
Endgültig auf Musiktherapie fokussiert dann die Reihe der „Hamburger Jahrbücher zur Musiktherapie“, die ich ab 2012 in der Reihe „Zeitpunkt Musik“ des Reichert-Verlages, Wiesbaden, herausgab und die überwiegend besondere Dissertationsthemen des 1993 gegründeten Promotionsstudienganges für die breitere Öffentlichkeit aufbereitete. Mit Ursula Reichert als ebenfalls engagierter Verlegerin mit musiktherapeutisch-gestalttherapeutischem Hintergrund.
1996 auf dem 8. Weltkongress der World Federation of Music Therapy (WFMT), Patronage Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt, Planungsvorstellung der Gründung der neuen Halbjahres-Zeitschrift mit „G“ statt „K“ im Titel: „Musik und Gesundsein (MuG)“, gefördert von der Erich Rothenfußer-Stiftung in München und der Laves-Stiftung Hannover in Verb. mit dem Förderkreis des Instituts für Musiktherapie der Hamburger Hochschule für Musik und Theater.
„Musik und Gesundsein“: Statt des Hochkantformats nun Querformat. Ältere Leser:innen wurden an Liederhefte mit Klavierbegleitung erinnert. Der Verlag: erneut die Eres Edition. Diese heute „alte“ MuG wurde auch allen Mitgliedern des damaligen Berufsverbandes der Musiktherapeuten (BVM) zugeschickt, Vorsitzende Gertrud Katja Loos mit mir als geschäftsführendem Vorsitzenden. Der BVM wurde einige Zeit später mit der Deutschen Gesellschaft für Musiktherapie (DGMT, heute DMtG) nach verbandspolitisch „spannenden“ Jahren vereinigt.
Die regelmäßigen Rubriken von damals sind bis heute in dieser aktuellen MuG beibehalten worden. Siehe Inhaltsverzeichnis. Doch tempora mutantur: Die von alter wie neuer MuG gepflegte Rubrik der Vorstellung von Musiktherapien im Ausland hört mit dem Blick auf Indien mit dieser Ausgabe auf. Ein besonderer Dank gilt hierfür Bettina Eichmanns mit ihrer kompetenten und stets umsichtigen Arbeitsweise.
Mitherausgeber der „alten MuG“:
Prof. Dr. med. Ralph Spintge (MusikMedizin), Redaktion und Beirat die Proff. Drs. bzw. Drs. (alphab.) Ursula Dirksen-Kauerz/ Hamburg, Cheryl Dilea/ Philadelphia, Heiner Gembris/ Halle, Peter Michael Hamel/ Hamburg, Donald A. Hoedges/ St. Antonio-USA, Paolo J. Knill/ Cambridge/USA und Zürich, Susanne Metzner/Hamburg, Monika Nöcker-Ribaupierre/München, Dieter Petersen/ Natendorf-Hamburg, Peter Petersen/ Hannover und Hamburg, Hermann Rauhe/Hamburg, Even Ruud/ Oslo, Masami Sakaue/Tokyo, Fred Schwartz/ Atlanta, USA, Michael Thaut/USA, Tonius Timmermann/ München, Dora Varvazovsky-Velsz/ Debrecen, Ungarn, Ole Vollert/Berlin, Eckhard Weymann/Hamburg. Red.: Christine Decker-Voigt/Schlussred. E. Weymann.
Natürlicherweise ist bei solchem Netzwerk die Dimension der inhaltlichen Mitarbeit unterschiedlich. Die Beiräte aus dem Ausland ließen die Schwerpunktthemen der „kleinen MuG“ oft dorthin wandern – über die Musiktherapie-Kreise hinaus. „Wartezimmereignung“ ist bis heute ein Ziel der MuG i.S. einer „populär orientierten“ Zeitschrift für Einblicke in Praxis und Wissen(schaft) der Musiktherapie.
Dies war auch der Grund für die Integration der Berichte der „Singenden Krankenhäuser“ (Sikra) zusätzlich zu unseren Rubriken. Ihre Mitglieder sind fester Bestandteil unserer Leser:innenschaft.
Die Autor:innen stammten jetzt weitestgehend aus stationär-klinischen bzw. ambulanten Praxisfeldern der Musiktherapie, vereinzelt noch aus denen der Sozialpädagogik, Heilpädagogik.
Themenschwerpunkte der „alten“ MuG: 

Nr. Schwerpunktthema
1 Säuglingsforschung
2 Musik gegen Schmerz
3 Musik in der Geriatrie
4 Musik und Älterwerden
5 Musik und Krebserkrankung
6 Mth in Beratung und Coaching
7 Mth mit Kindern
8 Mth mit Jugendlichen 9 … bei sexuellem Missbrauch
10 … und Entspannung
11 … bei Hirnverletzungen
12 Stimme in der Mth
13 Mth bei Magersucht
14 … bei kriegstraumatisierten Kindern
15 … bei ADHS-Kindern
16 Community Music Therapy
17 … bei Depression

Die neue und aktuelle MuG erschien in der Neuausgabe im Reichert-Verlag 2001:
18 Mth in Hospiz und Palliativmedizin
19 Orientalische Mth
20 Instrumente in der Mth
21 Stimme und Singen in d.Mth
22 Mth in der Schule
23 Mth und Migration
24 Mth und Burnout
25 Mth bei Trennungskindern
26 Mth bei Demenz
27 Mth und Sprachförderung
28 … bei Persönlichkeitsstörungen
29 … bei Sucht
30 … und Psychotraumatologie.
31 … und Körper
32 … und Prävention
33 … bei Schwerstmehrfachbehinderungen
34 Digitale Instrumente in der Mth
35 Die Muttersprache in der Mth
36 Wem gehört die Mth ?
37 Mth in der Musikschule
38 Mth. mittendrin – zwischen den Kulturen
39 Online-Therapie
40 Therapeutische Beziehung und Mth
41 Hinein in die Talsohle und heraus aus ihr
42 Mth und Kriegsängste
43 … und Familie
44 Mth und Biographiearbeit
45 … und der Sinn des Hörens
46 Übergänge

Herausgeber, Mitherausgeber, Beirat und Redaktionskoordination der „alten“ MuG blieben auch der neuen treu.
Bei dieser Rückschau auf die Übergänge fasziniert mich, wie zwar manche Schwerpunktthemen sich wiederholen, jedoch ihre Inhalte sich von Ära zu Ära als ständig in Übergängen befindlich zeigen. Das „Erst Lesen, dann Denken, dann Schreiben“ (oder Reden) jedes fortschreitenden Wissens bedeutet eben auch, dass während des Schreibens (oder Redens) des einen jemand anderer schon anders über das Thema liest, denkt und schreibt…
Aus vollem Herzen danke ich früheren und jetzigen Mitherausgebern (dank Petra Jürgens auch MitherausgeberIN), danke ich Autor:innen, Beirät:innen, Verleger:innen der uralten MuK, der alten und aktuellen MuG sowie besonders der kontinuierlich besetzten Redaktionskoordinatorin (die auch das Kontinuum meines persönlichen Lebens ist) für das Miterlebendürfen der „Übergänge“ als Dauerzustand in meinem Herausgeberleben!
Der Vollständigkeit halber: Die o.g. „Dienstzeit“ von 46 Jahren ist unvollständig. Im Musikstudium in Trossingen entstanden die Zeitschrift für das damalige Hochschulinstitut für Musik „(K)notenpunkt“, die ich als AStAVorsitzender herausgab und die „ENGRAMME“, Zeitschrift für neue Literatur, Grenzland-Verlag Wolfenbüttel (beide von 1967 bis 1969). Die früheste Zeitschriftenerfahrung gab es als Kind in Celle in „Der Kindergottesdienstbote“. Gott sei’s getrommelt und gepfiffen.

Ihr
Hans-Helmut Decker-Voigt