Editorial

Liebe Leserinnen und Leser!

„Musik und Sprache“, unser aktuelles Schwerpunktthema, ist eines der „klassischen“ und doch immer wieder aktuellen Themen der Musiktherapie. „Musik und Sprache sind Schwestern“, so postuliert z.B. Rosemarie Tüpker, die Verfasserin eines unserer zu diesem Thema gehörigen Schwerpunktbeiträge. Das kann man so sehen. Laut Kleinem Brockhaus bedeutet Sprache zunächst „die dem Menschen eigene Fähigkeit, äußere und innere Erfahrungen in besonderen Symbolen zu bezeichnen und auszudrücken. Damit wird es möglich, sich eindeutig zu verständigen, die Erfahrung anderer zu nutzen, Gedankliches in einer vom Träger ablösbaren Form weiterzugeben… und das Verhalten anderer… zu beeinflussen.“
In der Musiktherapie gibt es eine lange – und immer wieder gern aufgegriffene – Diskussionstradition, ob z.B. – bezogen auf eine prinzipiell gut reflexions- und verbalisierungsfähige Klientel – musikalisches Erleben stets auch versprachlicht werden sollte oder ob dieses Erleben für sich stehe. Tendenziell tendieren die dazugehörigen Aussagen aus Perspektive der Nachbarfächer wie Psychologie oder Medizin eher dazu, dass prinzipiell zusätzlich versprachlicht werden sollte. Die Aussagen, die der Musiktherapie-„Szene“ entstammen, sind deutlich uneinheitlicher.
Vieles spricht sicherlich für Versprachlichung, sei es zur Aufarbeitung oder Verfestigung des oft gemeinsam mit/in der Musik Erlebten, sei es zum Schutz vor zu regressivem Erleben, das Musik auch auslösen kann. Andererseits kann es – gerade bei z.B. rational-intellektualisierenden Abwehrstrukturen – hilfreich und sinnvoll sein, das Erleben eben gerade nicht sprachlich zu bearbeiten, sondern für sich „sprechen“ zu lassen. Nicht zuletzt bestehen auch bei Musiktherapeuten manchmal Tendenzen, im Zuge der psychotherapeutischen Beziehung dem Verbalen mehr, der Musik weniger Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

 


Rosemarie Tüpker widmet sich interessanten Fragen wie „Musik in der Sprache“ oder „durch Musik zur Sprache kommen“. Ersteres Thema ist gerade auch interessant für sämtliche verbalen Psychotherapie-Verfahren, nicht selten sind es z.B. vor allem der Klang der Stimme des Psychotherapeuten, seine Sprachdynamik etc., die den Erfolg einer Behandlung wesentlich mitbestimmen.
Eckhard Weymann weist uns zunächst darauf hin, dass Sprache konstitutiver Anteil des Austauschs zwischen Patient und Therapeut ist. Er macht uns klar, dass es ohne Sprache nicht geht, um dann auf die additiven Besonderheiten des Mediums Musik für das psychotherapeutische Setting zu kommen.
Auch Thomas Stegemann macht sich – wie gewohnt humorvoll – Gedanken darüber, ob „dadada“ oder „lalala“ zuerst dagewesen sei.
Wir können uns also über interessante Perspektiven auf unser Thema „Musik und Sprache“ freuen…
Eine Praxisvorstellung von Hans Peter Weber, unser Klinikspaziergang – dieses Mal im Klinikum Bremen-Nord mit Catarina Mahnke – sowie das Patienteninterview mit Alexandra Takats zum wichtigen Thema Wachkoma geben praktische Einblicke in die tägliche musiktherapeutische Arbeit. Günter Kreutz erinnert uns nochmals daran, dass es in Krankenhäusern nicht nur um Keimbekämpfung, Qualitätsmanagement oder Fallpauschalen geht, sondern dass dort auch gesungen werden darf.
In einem Nachruf verabschieden wir uns von Franz Mecklenbeck, langjährigem Vorstandsmitglied der damaligen DGMG, bis zuletzt zuständig für die Internet-Redaktion der DMtG. Franz Mecklenbeck verstarb unerwartet Anfang Dezember letzten Jahres.
Hans-Helmut Decker-Voigts Würdigung zu dessen 70. Geburtstag durch seinen Doktoranden Thomas Stegemann, sowie eine Ehrung für Ilse Wolfram, ehemals Vorsitzende des damaligen BVM und nachhaltig beteiligt an der Zusammenführung einer vormals unübersichtlicheren, z.T. zersplitterten musiktherapeutischen Verbandslandschaft, setzen weitere – erfreulichere – personale und persönliche Akzente.

Gewinnbringende Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Prof. Dr. Hans Ulrich Schmidt