Mit Musik durchs Leben oder Die Musen und das Nilpferd

– zum 70. Geburtstag von Hans-Helmut Decker-Voigt

 

 

Vorbemerkung: Dieser Beitrag zielt nicht darauf ab, das Lebenswerk von Hans-Helmut Decker-Voigt in seiner Gesamtheit nachzuzeichnen (allein die Aufzählung seiner wissenschaftlichen und belletristischen Publikationen würde die mir hier zur Verfügung stehende Zeilenzahl übersteigen). Stattdessen geht es mir um einen persönlicheren Zugang zum Menschen Hans-Helmut Decker-Voigt, einen Zugang über die Musik – verbunden mit Auszügen aus einigen seiner Bücher (wie im Titel schon erwähnt: das Nilpferd Pummel, Entwicklungspsychologie am Beispiel einer Nilpferdkindheit). Jene Musik, die ihm wichtig war und die uns mit ihm verbindet – mehr oder anders, als es uns vielleicht bekannt ist.
Einmal im Studienjahr – meist im Sommer – lud er den ganzen Jahrgang zu sich nach Hause ein: nach Allenbostel. Ein kleiner Ort ohne Straßennamen inmitten der Lüneburger Heide. Neben dem Wohnhaus – einem umgebauten Schafstall – befindet sich das „Studierhaus“, in welchem die Seminare abgehalten wurden (und einmal die Fußball-EM geguckt wurde, aber das ist eine andere Geschichte…). Neben den zahlreichen Musikinstrumenten ziehen die bis unter das Dach reichenden Bücherregale die neugierigen Blicke der Eintretenden auf sich – vollgepackt mit Schriften in vielerlei Sprachen über Musiktherapie, Psychologie, Kunst, Philosophie, Theologie und Musik… über ihnen wachend, auf ovalen Holzschildern entlang der Galerie platziert, die Namen der neun Musen: Klio, Melpomene, Terpsichore, Thalia, Euterpe, Erato, Urania, Polyhymnia und Kalliope. Blickt man auf die siebzig Jahre von Hans-Helmut Decker-Voigt zurück, so wird man das Gefühl nicht los, dass manche dieser Musen an vielen Stationen seines ungewöhnlichen und kunst-vollen Lebensweges Pate gestanden haben.

Klio (die Rühmende, die Muse der Geschichtsschreibung)
Wenn ich mich richtig erinnere, so hat uns Decker-Voigt (so die gebräuchliche Bezeichnung im Studierendenjargon – ohne Anrede und Titel) in jenem Studierhaus im Sommer 2004 das Arbeitsblatt zum „Exposé im Zusatz- und Aufbaustudium“ ausgeteilt. Dort heißt es erklärend:
Damit ist ein 10-minütiger Vortrag gemeint, der vorzugsweise frei gesprochen wird. Es ist möglich mit der Vortragsform zu spielen und gestalterische Hilfen zu nutzen. Das Exposé soll ermöglichen:
über unsere Arbeit reden zu lernen,
Worte zu finden für Szenen im eigenen Leben, wo sich wichtige musikalische Schlüsselerlebnisse ereigneten.
An diese Aufgabe angelehnt habe ich (quasi in Umkehr der damaligen Rollen) im Vorfeld dieser „Geschichtsschreibung“ gebeten, Musiken zusammenzustellen, die für die einzelnen Dekaden seines Lebens bedeutsam und prägend waren; eine Art „musikalisches Lebenspanorama“ (vgl. Isabelle Frohne-Hagemann und Karin Schumacher).
Die Metapher des Lebens als Reise ist nicht neu – so sind beispielsweise von Herman Melville, dem Schöpfer von Moby-Dick, die Zeilen überliefert: „Das Leben ist eine Reise, die heimwärts führt“ („Whoever afflict us, whatever surround, life is a voyage that’s homeward-bound!“, White-Jacket, 1850). Und von Moby-Dick ist es – zumindest evolutionsbiologisch – nur ein kleiner Schritt zum Hippopotamus amphibius, dem Nilpferd, als dessen nächste Verwandte die Wale gelten. Und auch die Geschichte von Pummel nimmt uns mit auf eine Reise, die „heimwärts“ führt: das Nilpferd-Kind findet nach einer narzisstischen Kränkung über eine Phantasiereise zu sich selbst – und zu einem neuen Selbstbewusstsein (entwicklungspsychologisch-empathisch und weise kommentiert von Decker-Voigt). Und natürlich spielt die Musik – insbesondere das Singen – eine prominente Rolle in der Fabel von Pummel, der nun pünktlich zum 70. Geburtstag seines Kommentators digitale Karriere macht. Im gedruckten Pummel heißt es auf Seite 16 (Decker-Voigt, 1998, 2. Aufl.):
Ansonsten aber wird Musik den späteren Pummel freundlich stimmen, entspannen lassen, wenn ihm ein Lied am Bettrand gesummt wird, wird ihn begeistern, wenn er seine Lieblingsarie in der Oper hört – ferne Verwandte der ersten Töne von der Mutter, die Pummel bereits aus seiner intrauterinen (innerhalb des Uterus) Zeit kennt. Musik, Töne sind die ältesten Gepäckstücke, die wir gerne auf Reisen mitnehmen. Auf Übergänge…
Den Spuren solcher musikalischen Weggefährten, Gepäckstücke und Übergangsobjekte im Leben von Hans-Helmut Decker-Voigt wollen wir in 10-Jahres-Schritten folgen:


1. Lebensjahrzehnt (1945–1955)
Es stellt sich zunächst die Frage, wie Hans-Helmut Decker-Voigt ohne Musik durchs Leben gekommen wäre? Er wuchs zusammen mit seiner Mutter im großelterlichen Pfarrhaus in Celle auf, das durch den „Logos“, die Sprache, und durch große Musikalität gekennzeichnet war – und das, obwohl es wenig Gründe gab, in den ersten Jahren Freudengesänge anzustimmen. Das Pfarrhaus erholte sich mit 30 Flüchtlingen von seiner Position im offiziellen Widerstand zum Nationalsozia­lismus, dem auch der Vater Decker-Voigts als Offizier wie auch Pastor folgte und drei Tage vor der Geburt Decker-Voigts hingerichtet wurde. Der nächste Schicksalsschlag war eine von Krankheit und langjähriger Bettlägerigkeit geprägte Kindheit – infolge einer Polio- und Tuberkuloseerkrankung. Doch noch am Krankenbett wurde Melpomene, die Muse der Tragödie, von Terpsichore verdrängt. Geküsst von dieser „fröhlich im Reigen tanzenden“ Muse wurde Hans-Heinrich-Helmut Michael Hermann (so der vollständige Name) von zahlreichen Verwandten und Anverwandten „besungen“ und unterhalten. Das Spek­trum – so Decker-Voigt im Rückblick heute – reichte von Paul-Gerhard-Liedern wie „Nun ruhen alle Wälder“ bis hin zum sich über die Obrigkeit lustig machenden Quatschlied „O hängt ihn auf“. In einem Interview mit Udo Baer (therapie kreativ, 2004) spricht Decker-Voigt davon, dass zeitweise seine Liegekarre in die Küche geschoben wurde, wo ihm mit Stimme, Flöten und Percussion-Instrumenten „Klanggeschichten“ erzählt wurden. Und wenn keiner da war, habe er sich selbst sein „Musiktheater“ gemacht… willkommen Thalia!
Es verwundert nicht, dass Decker-Voigt später immer wieder so sehr die Container-Funktion der Musik betont, oder mit Paul Gerhard gesprochen:


Breit aus die Flügel beide
o Jesu meine Freude
und nimm dein Küchlein ein
will Satan mich verschlingen
so laß die Englein singen
Dies Kind soll unverletzet sein


2. Lebensjahrzehnt (1955–1965)
Im Zuge seiner Rehabilitation machte Decker-Voigt früh auch mit der (sozusagen) funktionellen Musiktherapie Bekanntschaft: Mithilfe von Militärmusik (wie dem Fehrbelliner Reitermarsch) sollte er zum Wieder-Gehen-Lernen animiert werden. Gleichzeitig stellten diese Märsche – oder aber auch das Deutschlandlied – eine biographische Verbindung und Auseinandersetzung mit dem toten Vater (vor dem Theologenberuf war dieser Rittmeister) dar. In dieser Dekade trat aber auch Erato, die Muse der Liebesdichtung, an sein Bett und in sein Leben. Kontrafaktisch wurde da aus „Jesu meine Freude“ ein sehnsuchtsvoll anhimmelndes „Irmgard meine Freude“ und es geschah der Kirchenaustritt (mit späterem Wiedereintritt).


3. Lebensjahrzehnt (1965–1975)
Euterpe, die Erfreuende, die Muse der Lyrik und des Flötenspiels, stand wohl während der dritten Lebensdekade Pate: In diesen Zeitraum fallen sowohl die ersten Publikationen (der Freischreib­roman „Der zweite Schritt vor dem ersten“ oder „Minnesöldner“, vier moderne Liebesgeschichten) als auch das Studium der Musik in Trossingen. Als charakteristisches Musikstück nennt Decker-Voigt Vivaldis Flötenkonzert Nr. 2 in G-Moll (Op. 10) u.a., seine Lieblingssoli bei ersten Konzerttourneen. Mit neuen Funktionen kamen auch neue Musikgattungen und -genres in sein Leben: „‚Eines schickt sich nicht für alle‘ und elend viele andere Kanons bei offenem Singen (als Musikschulleiter in Uelzen) und erste Pop-Kontakte (als Fachhochschullehrer in Düsseldorf, der seinen Studierenden zuliebe Pop-Musik zu respektieren begann und sich bei ‚Play Bach‘ mit ihnen auch am Klavier musizierend traf)“. Zu diesen ersten Pop-(Kon)-Takten gehörte auch ein Song der Beatles:


Because the world is round
It turns me on
Because the world is round
Love is old, love is new
Love is old, love is you
(Lennon/McCartney, 1969)


4. Lebensjahrzehnt (1975–1985)
In „Mit Musik ins Leben“ schreibt Decker-Voigt (2008, S. 182f.):
Das Lied von der Krabbe „Krabbelkrubbelkri“ war der Renner in einer jungen Studentenfamilie: „Die Krabbe Krabbelkrubbelkri spazierte einst im Sand, sie krabbelte bei Sahlenburg in Richtung Badestrand. Krabbelkribbel, krabbelkribbel – in Richtung Badestrand…“ Der 18-monatige Sohn der studentischen Familie verstärkte den elterlichen Konzertgesang mit „abbe-abbe“, dann zwei Tage später mit „abbe-ibbe“ und von Anfang an mit jenen Krabbelbewegungen, die die Mutter auf der Haut ihres Sohnes bei der entsprechenden Stelle machte. Auch hier tritt jenes Phänomen der unbedingten Beibehaltung und Bevorzugung, Wiederholung dieses Liedes auf (…). Besagte Familie zählte für die Krabbe Krabbelkrubbelkri in einer Woche über 160 Aufführungen (…)
Es ist nicht überliefert, wie häufig Decker-Voigt das Krabben-Krabbellied mit seinen beiden Töchtern gesungen hat – Polyhymnia lässt grüßen –, aber auf jeden Fall taucht dieser Titel als erstes Musikstück in dem Jahrzehnt auf, das mit „erster begeisterter Vaterschaft“ einherging. Wie für Decker-Voigt im Speziellen (und für MusiktherapeutInnen im Allgemeinen) typisch, ist die Bandbreite der rezipierten und produzierten Musik sehr groß und stilistisch ungewöhnlich variabel. Entsprechend ist es von „Stock und Hut steht im gut“ zu Stockhausen nur ein kleiner Spaziergang: So führte Decker-Voigt als Fachhochschullehrer an der Ev. Fachhochschule Düsseldorf-Kaiserswerth mit Studierenden und Menschen mit geistiger Behinderung den „Gesang der Jünglinge im Feuerofen“ von Karlheinz Stockhausen auf.


5. Lebensjahrzehnt (1985–1995)
Alte Bekannte treten wieder auf: zum einen der Komponist eines Werkes, das den schönen und einprägsamen Titel und Untertitel trägt:
„Das Wohltemperirte Clavier oder Præludia – zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib auffgesetzet …“
Die Bach’sche Musik, die ihn schon am Krankenbett begleitet hat, scheint wie ein Anker in Decker-Voigts Leben: denn auch in der fünften Lebensdekade tritt zum anderen Melpome wieder auf oder wie Decker-Voigt den Verlust der zwei Seminar-Häuser, für die er finanziell geradestand, mit einem Wiener Original zusammenfasst: „O du lieber Augustin, alles ist hin.“ Inhaltlich waren die Häuser erfüllt vom „Lesley Institut für Medien-und Ausdruckstherapie“ (deutsche Filiale des Lesley College in Cambridge/USA), das er mit Paolo J. Knill gründete und leitete und was danach als „ISIS International School for Interdisciplinary Studies“ und EGS European Graduate School in die Schweiz ging.
Gleichzeitig befindet sich an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater vieles in Sachen Musiktherapie im Aufbau – begleitet und untermalt von einer Musik, die zur Symbolisierung des Universitätsbetriebes wohl geeignet ist wie keine andere: die freie Improvisation – das „Spiel ohne Maske“:
Die Schauspieler auf den Bühnen antiker Theater ließen durch ihre Masken, mit denen sie ihre jeweiligen Rollen anzeigten, ihre Stimme hindurchtönen. Im Spiel mit Musik hingegen, im frei gestalteten Klang einer Improvisation, gibt der einzelne Mensch an einem der vielen Ton-, Klang- und Geräuschwerkzeuge ohne Umweg, ohne Maske seinen seelischen Kräften Ausdruck. Dis­tanz und Nähe, Wechsel- und Dauerhaftes, sowohl die Übertreibung als auch die Verkümmerung dieser Aspekte findet sich im Raum des musikalischen „Spielraums“ wieder. (Decker-Voigt, 1991, S. 234)


6. Lebensjahrzehnt (1995–2005)
Kalliope, die Muse der Rhetorik, der Philosophie, der Wissenschaften, Mutter von Orpheus, hatte sicherlich ihre Hand im Spiel, als es Decker-Voigt gelang, im Jahr 1996 den Musiktherapie-Weltkongress nach Hamburg zu holen und erstmals sämtliche damals 42 deutschen West- und Ostgruppierungen im „Nationalen Komitee“ als Vorbereitungsbasis im CCH zusammenzubringen – mit den dann anreisenden Kolleginnen und Kollegen aus 52 Nationen und Bundeskanzler Helmut Schmidt als Schirmherrn. Mit dieser Phase und im ersten Jahrzehnt der Amtsnachfolge von Johannes Th. Eschen, zu deren Anfang er in einer Bleibeverhandlung die Gründung eines eigenen Instituts und Promotionsstudiengangs zur Bedingung machen konnte, waren für Decker-Voigt zahlreiche Auslandsreisen und die wachsende Bekanntschaft mit außereuropäischer Musik verbunden. Stellvertretend dafür sei die „Misa Criolla“ des argentinischen Komponisten Ariel Ramírez erwähnt. Den Gegenpol bildete die Hausmusik in der Lüneburger Heide mit der „angetrauten Geliebten Christine“ und den beiden Töchtern, z.B. mit dem Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli (aus Op. 6, Concerti grossi, Nr. 8 in G-Moll).


7. Lebensjahrzehnt (2005–2015)
Dieses Mal meldet sich Melpome via „Cyber-Mobbing“ zu Wort und Decker-Voigt schleudert ihr ein Mozart’sches „Dies Irae“ entgegen. Liebe, Neid, Schuld und Kunst sind die vier großen Themen, denen sich Decker-Voigt in der autobiographisch inspirierten Erzählung „Vom Selbstmord des Rufmörders“ annimmt. Ein Schatten, der über dieser Dekade und wegen der „Ewigkeit“ jeder Internet-Verfolgung auch in der Zukunft liegt und der nicht nur die Freude an der Musik zu vergällen droht. Doch es gibt noch Bach und seine Partiten für Cello-Solo, eingespielt von Mstislaw Rostropovich (1927–2007). Der Ausnahmecellist gründete mit seinem und dem Namen seines Lehrers und Vaters in Orenburg die L.u.M. Rostropovich Hochschule für Kunstwissenschaften und Musik als staatliche Hochschule. Decker-Voigt erhielt zusammen mit dem hochbetagten M. Rostropovich von der Hochschule sowohl die Ehrenprofessur als auch den Dr. h.c. in Anerkennung seiner Verdienste für die Studiengangsgründungen für Musiktherapie in Osteuropa (welche meist infolge der vorangegangenen Übersetzungen seiner Bücher – u.a. auch in Asien – möglich wurden).
Und der Lebenskreis (vgl. „Lehrbuch Musiktherapie“, S. 105) dreht sich ein weiteres Mal weiter und mit begeisterter erster Großvaterschaft ertönen von Neuem die Kinderlieder – alte wie neue…


8. Lebensjahrzehnt (ab März 2015)


Vielleicht leben wir siebzig Jahre, vielleicht sogar achtzig – doch selbst die besten Jahre sind Mühe und Last! Wie schnell ist alles vorbei, und wir sind nicht mehr!
Psalm 90:10 (Die Bibel in heutigem Deutsch, Deutsche Bibelgesellschaft, 1983)


In Wien hat sie ihr Zuhause im ersten Bezirk, direkt am Donaukanal, wo sich heute Planetarium und Kino befinden: Urania, die Muse der Sternkunde. Was sagt uns der Blick ans Firmament, in die Zukunft? Urania ist nach der pythagoreischen Vorstellung der Sphärenharmonie der höchste Ton zugewiesen. Wohin führt uns das nächste Jahrzehnt – was hält es für Hans-Helmut Decker-Voigt bereit?
Von einem wissen wir bereits: Auf der Buchmesse 2014 wurden die beiden Bände von Teil 1 seiner Trilogie „Das Pfarrhaus“ präsentiert, Teil II und III folgen und beschreiben in einem Romanepos die Institution „seines Pfarrhauses“ von 1507 bis 2010. Ein sich seit 40 Jahren – neben aller Musiktherapie – in Entstehung befindendes „Ferment einer Mentalitätsgeschichte zu denen von G. E. Lessing, G. Benn, F. Nietzsche, S. Lenz“ (der Philosoph und Theologe Jendris Alwast).
Was darf und soll man ihm als „Soundtrack“ für die kommende Zeit wünschen? Ihm, der unzweifelhaft zu den Pionieren der Musiktherapie gehört. Der aus dem Französischen stammende Ausdruck „Pionier“ bezeichnete ursprünglich die Fußsoldaten (pion), deren Aufgabe darin bestand, den Vormarsch der restlichen Armee vorzubereiten und zu ermöglichen, indem entsprechende Wege und Brücken gebaut wurden. Dies hat er – wenn auch vielleicht nicht ganz so martialisch – stets als seine Aufgabe gesehen: neue Wege eröffnen, Brücken bauen, um die Musiktherapie voranzubringen. Die Musik – wie wir oben gesehen haben – und die Musik seiner Sprache waren dabei nicht nur ein Medium einer künstlerischen Therapieform, sondern ein Lebenselixier, das für ihn von klein auf „notwendig und Not wendend“ war (um eines seiner beliebten Wortspiele aufzugreifen).
Bach zitierend schließt Decker-Voigt in „Schulen der Musiktherapie“ mit dem Satz „So kämpfet nun, Ihr munt’ren Töne“ – in diesem Sinne seien dem Jubilar noch viele kämpferische und muntere Zeiten wie Töne – im Studierhaus und an anderen Orten (wie Pummels gelber Bucht) – gewünscht! Ad multos annos!


Wien, Dezember 2014


Literatur und weitere Informationen zu Biographie und Werk:
http://www.decker-voigt-archiv.de

 

Der Autor:

Thomas Stegemann
Univ.-Prof. Dr. med. Dr. sc. mus.
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Abteilung für Musiktherapie, Rennweg 8, A-1030 Wien.
Seit 2011 Professor für Musiktherapie (Dipl.-Musiktherapeut), Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Paar- und Familientherapeut (BvPPF). Gitarrenstudium in Los Angeles, USA. Medizinstudium in Mainz und Kiel. AiP an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen. Aufbaustudium Musiktherapie an der Hochschule für Musik und Theater, Hamburg. Von 2002–2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf; 2008–2010 leitender Oberarzt. 2013 musiktherapeutische Promotion bei Prof. Dr. Decker-Voigt zum Thema: „Stress, Entspannung und Musik – Untersuchungen zu rezeptiver Musiktherapie im Kindes- und Jugendalter“.
Forschungsschwerpunkte: Musiktherapie und Neurobiologie; Rezeptive Musiktherapie im
Kindes- und Jugendalter; Familien-Musiktherapie.
Homepage: www.thomasstegemann.at
E-Mail: stegemann(at)mdw.ac.at