Heft 36 (2019) ist erschienen!

Wem gehört die Musiktherapie?

Die Warnungen vor neuerlicher Ausuferung von Musiktherapie in außer­klinische Bereiche nehmen ebenso zu wie die Buchveröffentlichungen und wissenschaftlichen Hausarbeiten zu eben diesen: Musiktherapie in der Schule, in den sozialen Berufen, in der Heilpädagogik, in der Altenpflege... Die nächste MuG wird keine 2–3 Schwerpunktthemen-AutorInnen zu schreiben bitten, sondern etliche AutorInnen aus den verschiedenen Bereichen – und deren Berührungspunkten bzw. -flächen.

Zum Mitmachen

Juckepuck komm her! Therapeutisches Songwriting mit Kindern

Von Constanze Rüdenauer-Speck

Das Lied ist zentral in meiner musiktherapeutischen Arbeit mit chronisch kranken Kindern und Jugendlichen, vom klassischen Kinderlied, über Kindermantren bis zu ihren Lieblingsliedern, die sie zur Therapie mitbringen: So war es bei der 10-jährigen Hanna*, die unter einer Fütter-Essstörung (Sensorische Nahrungsverweigerung) litt. Der Song „Roar“ von Katy Perry stand ganz oben auf ihrem Zettel. Hanna konnte noch gar kein Englisch, es war die Musik, die in ihr starke Gefühle auslöste. Hanna und ich trommelten, während Katy Perry aus der Lautsprecherbox tönte:

„…you held me down, but I got up (hey!)
Already brushing off the dust
You hear my voice, your hear that sound
Like thunder, gonna shake the ground
You held me down, but I got up
Get ready ‘cause I had enough
I see it all, I see it now
I got the eye of the tiger, a fighter
Dancing through the fire
‘Cause I am a champion,
and you’re gonna hear me roar
Louder, louder than a lion…“

Danach war es möglich, trommelnd „Nein!“ sagen zu üben und die bisher leise, schüchterne Hanna erhob langsam ihre Stimme. Jetzt fasste sie den Entschluss, einen eigenen Song zu schreiben und es sollte um ihren Mut gehen, den sie beim Probieren neuer Speisen inzwischen gezeigt hatte und um ihren Wunsch, dass sie dies auch zuhause schafft. Ihr Essen sollte ab jetzt „bunt und einfach“ werden und sie formulierte weiter: „Ich bleib’ dran, bis ich’s kann, ich bin richtig, wie ich bin!“ Hanna schöpfte viel Motivation und Willensstärke aus ihrem Song. In zwei weiteren Stunden stellten wir ihren Song „Mut“ fertig und nahmen ihn auf. Hanna sang inzwischen kräftig ins Mikrofon hinein und war sichtlich stolz auf ihre CD-Aufnahme.
Ein gelungener eigener Song, der den Kindern etwas bedeutet, ihnen aus ihrer Seele spricht, vermag die emotionale Verarbeitung der Krankheit und damit die medizinische Behandlung sehr zu unterstützen. Die Kinder erleben sich hier vor allem als selbstwirksam.
Bei der gleichaltrigen Jana* stellte der eigene Song die Wende dar, mit dem sie eines Tages buchstäblich „aus der Haut fuhr“. Jana hatte schon mehrere Klinikaufenthalte hinter sich, ihre Neurodermitis mit einem maximalen Scoradwert von 103 machte sie zu einem der schwerst betroffenen Fälle unserer Klinik der letzten Jahre. Janas Stimmung war auf dem Nullpunkt und darunter litt auch die Beziehung zur Mutter. Das leidige Thema „Eincremen“ war solch ein Streitpunkt geworden, dass dies zur Entlastung der Mutter die Schwestern der Klinikambulanz übernahmen. Das Lied, das aus dieser Situation heraus entstand, brachte ihre Nöte und Wünsche zum Ausdruck und entlastete gleichzeitig Mutter und Tochter in ihrer Beziehung. Die Figur des „Juckepuck“, den Drachen, den sie rufen kann und der ihr den Juckreiz wegnimmt, gab es schon. In der Musiktherapie hatte sich Jana daran erinnert und sie machte ihn wieder lebendig. Auf meine Frage: „Und wenn der Juckreiz nun weg ist? Was machst du dann?“, brauchte Jana keine lange Überlegung und daraus entstand der Refrain: „… und dann juckt’s mich nicht mehr und ich kratz’ mich nicht mehr, und dann bin ich einfach froh! … Dann hab’ ich viel Zeit und spiele, das befreit!“ Gemeinsam mit der Mutter wurde musiziert, gesungen und gelacht. Nun konnte Jana sogar lustvoll singen: „Jetzt crem’ ich mich ein, da fühlt die Haut sich fein“. Jana war es sehr wichtig, dass das Lied in Notenschrift notiert festgehalten wurde, damit sie dies zuhause auch selbst am Klavier spielen konnte. Und: Sie wollte anderen Kindern, die wie sie an Neurodermitis erkrankt sind, dieses Lied schenken. So wurde der „Juckepuck“ in unserem Neurodermitis-Schulungsheft für Kinder abgedruckt (und nun auch für Sie in diesem Heft) und ist damit lebendig in unserem Klinikalltag. Dafür erhielt „Juckepuck“ von Jana auch eine Gestalt – ein grüner Drache mit scharfen Klauen.
Maren*, eine jugendliche Neurodermitis-Patientin, äußerte den Wunsch, in ihren Musiktherapiestunden auch einen Song zu schreiben. Etwas älter als Hanna fand sie recht deutliche Worte: „…Ich will schon gar nicht rausgehen, weil die Menschen mich anstarren … geh nicht schwimmen, geh nicht spielen, bin traurig und wütend … Ich will, dass du weggehst … Scheiß Neuro! … Ich wünschte, ich wach’ auf, es ist vorbei. Dann schreib’ ich ins Whats App Ich bin frei …“ Hannas Lied wurde eine Ballade, und als wir fertig waren, saß sie eine Weile tief bewegt neben mir am Piano.
Therapeutisches Songwriting ist nach meiner bisherigen Erfahrung gut möglich mit Kindern ab ca. 10 Jahren. Diese müssen kein Instrument spielen können, aber Sie selbst sollten ein Begleitinstrument wie Klavier oder Gitarre sicher beherrschen, sich in der Harmonielehre gut auskennen und die entstandene Musik auch leicht notieren können. Es ist wichtig, bereits mit dem Kind oder Jugendlichen in einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung zu sein. Wenn sie vor dem Songwriting gemeinsam improvisieren, sind Sie für den folgenden Gestaltungsprozess besser miteinander verbunden. Zunächst geht es um den Liedtext (Lyrics). Dazu stellen Sie Fragen und das Kind oder die Jugendliche notieren selbst auf einem Blatt die Antworten und alle Gedanken, die in diesem Zusammenhang kommen. Maren habe ich konkret gefragt: „Was bedeutet es für dich, Neurodermitis zu haben? Wie fühlst du dich damit? Woran hindert dich diese Krankheit? Wenn du morgen aufwachst und „es“ wäre weg – wer würde es zuerst merken? Was würdest du tun? Was möchtest du der Neurodermitis sagen?“ Maren füllte zwei DIN-A4-Seiten – Sie erhalten in der Regel genügend Material für Strophe (Verse) und Re­frain (Chorus). Es ist an der Stelle die Kunst, diesen Text, die Worte „vorauszuhören“, wie sie musikalisch klingen könnten und wie sie für dieses Kind richtig sind. Es soll nicht Ihr Song werden, sondern als Musiktherapeutin machen Sie Vorschläge zu Melodieführung, Harmoniefolge und Form/Stil, spielen und singen als Anregung immer wieder ein paar Takte vor. Die Kinder treffen meist zielsicher die Entscheidung: „Ja, das hört sich gut an!“ oder fragen „Hast du noch eine andere Idee?“ So entsteht im engen kreativen Austausch Takt für Takt der neue Song und die Kinder können ihn dadurch auch als ihren eigenen annehmen. Manchmal braucht es nur eine einfache Kadenz, die wiederholt wird – denken wir an Bob Dylan’s „Knockin On Heavens Door“, das genau aus diesem Grund in schulischen Bandprojekten den Song der ersten Wahl darstellt – ihn können die jungen, angehenden Musiker nach ein, zwei Stunden spielen. Zu solchen und ähnlichen Akkordfolgen kann man mit dem Kind auch mit der Stimme improvisieren, indem man es einlädt, seine gefundenen Lyrics mit unterschiedlichen Melodien frei und spielerisch auszuprobieren. Auf diese Weise fiel es dem eher befangenen 12-jährigen Finn* leichter, in eine kreative Phase zu kommen. Er entwickelte aus einer vorangegangenen Übung für Sprechtechnik „Anna saß nah am Abhang“ beim Improvisieren mit der Akkordfolge C-G-F-G eine wunderschöne Melodie und spann eine poetische Geschichte weiter: „Anna saß nah am Abhang. Sie wollte sie könnt’ fliegen, um nah bei ihm zu sein, denn seit er nicht mehr da war, da war sie so allein …“. Je nach Alter der Kinder bleibe ich musikalisch orientiert an der klassischen Struktur des Kinderliedes (siehe „Juckepuck“) oder nehme wie bei Janas Ballade mit einer Bridge ein Stilmittel hinzu, welches einen musikalischen Kontrapunkt darstellt, in diesem Fall für Marens Wünsche und Hoffnungen, frei zu sein eine aufsteigende Melodieführung in Dur statt Moll. Das fertige Lied wird in den verbleibenden Therapiestunden gesungen (und gefeiert!), vielleicht mit Percussioninstrumenten erweitert, im Ausdruck (Dynamik, Tempo) verfeinert. Bei den jüngeren Kindern beziehe ich spätestens jetzt die Begleitpersonen, meist ein Elternteil, mit ein, um gemeinsam eine Aufnahme zu machen, mit dem Handy oder auch dem H1-Recorder, sodass eine CD erstellt werden kann. Der „Juckepuck“ ist ein sehr beliebtes Lied geworden. Jana sah ihn als grünen Drachen. Alle Kinder, die sich nach ihr in der Musiktherapie näher damit beschäftigen, dürfen ihre eigenen Vorstellungen vom „Juckepuck“ haben: Sie bekommen ein Blatt mit 8 leeren Rahmen für eine Bildergeschichte. Sie malen hier ihre Geschichte und machen so irgendwie dieses Lied stückweit zu etwas eigenem: Leonies* Juckepuck ist eine Biene mit orangeroter Struwwelfrisur, die krabbelt über ihren Arm. Leonie sieht sich wieder Fußball spielen, schießt ein Tor und ruft glücklich: „Jipih!“
Die Lieder können Sie anhören auf der Homepage der Alpenklinik Santa Maria unter:
https://youtu.be/Wg0bhLjC5yQ

Schwerpunktthema II

Absolventen deutscher Hochschulstudiengänge und Weiterbildungen
Musiktherapie 2009–2019 – Standards und Praxisbedeutung

Von Thomas Wosch

Seit 2009 wurden in der Rubrik Studiengang Musiktherapie Absolventen aller deutschen Hochschulstandorte Musiktherapie vorgestellt und Teilnehmer der in der SAMT qualitätsgesicherten Weiterbildungen Musiktherapie. Die Hochschulstandorte sind:
Universität Augsburg
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Universität Witten-Herdecke
Universität der Künste Berlin
Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Theologische Hochschule Friedens­au
Frankfurt University of Applied Sciences
SRH Hochschule Heidelberg
Hochschule Magdeburg-Stendal
Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
Die Absolventen schlossen an diesen Standorten mit Diplom (Uni, FH), Bachelor und Master ab. Die privatrechtlichen weiterbildenden Ausbildungen sind:
Akademie für angewandte Musiktherapie Crossen
Berufsbegleitende Weiterbildung in Orff-Musiktherapie der Deutschen Akademie für Entwicklungs-Rehabilitation
Europäische Akademie für psychosoziale Gesundheit (FPI)
Institut für Gestalttherapie und Gestaltpädagogik
Institut für Musik, Imagination und Therapie
Institut für Musiktherapie am Freien Musikzentrum München
Institut für Musiktherapie Berlin
Musiktherapeutische Arbeitsstätte
Zukunftswerkstatt (therapie kreativ)
Gemeinsamkeiten und Ergebnisse der Musiktherapie-Absolventen deutscher Hochschulen und der Teilnehmer privatrechtlicher Ausbildungen werden im Folgenden genannt.
Bei den Bedeutungen der Studieninhalte für die berufliche Praxis standen bei den Absolventen der Studiengänge Musiktherapie im Vordergrund die Übungen zur musiktherapeutischen Improvisation nach verschiedenen Grundlagen und in Perkussion, selbstreflexive Kompetenzen und Selbsterfahrung, interdisziplinäre Fallkonferenzen, Praktika und Supervision, psychodynamische Ansätze und tiefenpsychologische Grundhaltung, Psychopathologie und Diagnostik, Phänomenologie der Musik, Wirkung von musical features, Musiktherapie in der Neurologie sowie Orff-Musiktherapie. Vereinzelt wurden Gruppenprozesse, Einzelmusiktherapie für ASD, Psychotherapie, Entwicklungspsychologie, wissenschaftliches Arbeiten, Morphologische Musiktherapie, internationale Musiktherapie-Methoden und philosophische Grundfragen genannt.
Von den insgesamt 16 Autoren der Studiengangabsolventen sind drei Absolventen in voller Anstellung an einer Klinik für Psychiatrie, einer Klinik für Psychotherapie und einem Sozialpädiatrischen Zentrum. Drei Absolventen sind in Teilzeitanstellung an einer Klinik für Psychotherapie und Psychiatrie, einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie bei der Lebenshilfe. Drei Absolventen arbeiten in Lehre und Forschung, einer als Leiter eines Weiterbildungsinstituts für Musiktherapie und zwei angestellt im Hochschulbereich und Berufsfachschule. Drei Absolventen arbeiten als Selbstständige bei Musik auf Rädern GbR für Menschen mit Demenz, mit Behinderung, mit chronisch-psychischer Krankheit, in eigener Praxis und in eigener Praxis mit Schwerpunkt Autismus-Spektrum-Störung. Vier Absolventen arbeiten als Honorarkräfte, am häufigsten in Altenheimen und weiterhin in Schule, Kindergarten, Tagesklinik, Psychiatrischer Klinik, Palliativstation, für Menschen mit Behinderung und für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung.
Die Zugangsbedingungen der privatrechtlichen Ausbildungen bestehen aus Hochschulreife oder einem Studium mit mindestens BA-Abschluss. Eine Ausbildung verlangt einen MA-Abschluss sowie Zulassung zur Heilkunde sowie einen anderen Fachschulabschluss. Alle Ausbildungen verlangen musikalische und persönliche Eignung sowie Berufserfahrung und die meisten ein Mindestalter.
Bei den Inhalten privatrechtlicher Ausbildungen stehen die Selbsterfahrung als Lehrtherapie und als Erlernen einer Methode, Diagnostik und Psychopathologie, Supervision, Medizin inklusive Anatomie und Physiologie, Körperarbeit und Bewegungslehre sowie Musik und Liedbegleitung im Vordergrund. Mehrfach wurde als didaktisches Konzept die unmittelbare Verknüpfung von Theorie, Methodik, Praxis, Selbsterfahrung und Supervision als spezifisches Lehrformat dieser Ausbildungen genannt. Ebenfalls spezifisch für fast alle Ausbildungen ist, dass ein Ansatz oder eine Methode in diesen Ausbildungen vermittelt wird. Weitere mehrfach genannte Inhalte sind Entwicklungspsychologie, Wissenschaftstheorie und Forschungsmethoden sowie Praktika.
Die meisten Ausbildungen schließen mit einem Zertifikat ab. Einzelne vergeben die Bezeichnung privatrechtliches Diplom oder spezifische Therapeutentitel. Mehrere Abschlüsse werden von Verbänden als Berufszuerkennung oder Mitgliedschaft anerkannt auf deutscher und europäischer Ebene sowie mit Weiterbildungsanerkennung der Psychotherapeutenkammer. Die Abschlüsse qualifizieren zur Zertifizierung als Musiktherapeut eines Berufsverbandes.
Zusammenfassend werden von den Hochschulabsolventen alle Standard-Lehrbereiche musiktherapeutischer Studiengänge mit Grundlagenwissen, insbesondere Diagnostik und Musik-Phänomenologie, mit musiktherapeutisch-methodischen Kompetenzen, insbesondere Ansätze aus Psychodynamik, Neurologie und Entwicklungsrehabilitation, mit musikpraktischen Kompetenzen, insbesondere musiktherapeutische Improvisation und Perkussion, mit Selbstreflexiven Kompetenzen, insbesondere Selbsterfahrung und Supervision, sowie mit Handlungskompetenzen, insbesondere in Praktika und interdisziplinären Fallkonferenzen, für die praktische Tätigkeit als bedeutend benannt. Die Tätigkeit wird zu gleichen Teilen in Vollanstellung, Teilzeitanstellung, als Selbstständige/r und als Honorarkraft genannt. Die Tätigkeitsfelder sind nach der Häufigkeit der Nennung der vorgestellten Absolventen der Bereich Menschen mit Behinderung und mit Entwicklungsstörung, Psychiatrie und Psychotherapie, Altenheim und Menschen mit Demenz sowie Lehre und Forschung.
Fast alle privatrechtlichen Ausbildungen fordern für den Zugang die Hochschulreife oder einen relevanten akademischen Abschluss und Berufserfahrung. Die Inhalte der Ausbildungen sind meist auf einen Ansatz fokussiert und weisen in ihrer Didaktik mehrfach die Spezifik einer unmittelbaren Verknüpfung von Theorie, Praxis, Methodik, Selbsterfahrung und Supervision als Vermittlungsformat auf. Alle Abschlüsse sind qualitätsgesichert nach gemeinsamen Standards und in Verbänden.
Insgesamt wird trotz der Veränderungen im deutschen Hochschulbereich Musiktherapie deutlich, dass Gemeinsamkeiten und Standards mit hoher Relevanz für die Praxis sowie eine breite Anwendung der Musiktherapie in verschiedensten Tätigkeitsbereichen und in allen Tätigkeitsformen vorliegen.

Praxisvorstellung

Vorstellung der musiktherapeutischen Praxis „Ohrmuschel“

Von Anne Oeckinghaus

Mein Weg zur Musiktherapie
Mein Name ist Anne Oeckinghaus. Ich bin vor 13 Jahren von der Nordseeküste ins Ruhrgebiet gezogen. Dort habe ich 2009 meine musiktherapeutische Praxis Ohrmuschel eröffnet. Ich arbeite seitdem mit Müttern und Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, in Einzel- und Gruppenangeboten. Mein Weg zur Musiktherapie als psychotherapeutischem Beruf entstand aus der Auseinandersetzung mit meinen Eltern. Musik gehörte in meiner künstlerischen, akademischen Herkunftsfamilie zum Alltag. Musik war mir neben Kunst, Literatur und Theater ein sehr vertrautes Ausdrucksmedium. In meinem persönlichen Entwicklungs- und Abgrenzungsprozess konnte ich mit der Musik meine seelische Verfassung gut wiedergeben. Dies hat mir große Kraft gegeben. Diese Erfahrung wollte ich gerne an Menschen weitergeben.

Musiktherapeutisches Berufs­leben vor der Praxiseröffnung
Nach meinem Musiktherapie-Studium an der WWU Münster bei Frau Prof. Dr. Rosemarie Tüpker habe ich zunächst in einem Wohnheim für geistig behinderte Menschen u. a. in der Stiftung Alsterdorf in Hamburg gearbeitet. In meiner Diplomarbeit hatte ich mich mit der Frage nach der seelischen Behinderung von Menschen mit geistiger Behinderung beschäftigt. Welche Rahmenbedingungen sind nötig, dass unabhängig von körperlicher und geistiger Einschränkung die Bedürfnisse des Einzelnen kommuniziert werden können? Außerdem habe ich in einer Tagesklinik Musiktherapie mit heterogenen Gruppen gemacht. Auch hier die Frage: Wie gelingt Wiedereingliederung in die Gesellschaft, wenn jemand herausgefallen ist? Im Rahmen meiner Tätigkeit an einer Musikschule habe ich Therapeutisches Musizieren mit Kindern und Jugendlichen und Menschen eines Pflegeheims angeboten. Daraus entstanden inklusive Theaterstücke, inklusive Bandarbeit und in einer Kooperation mit einer Germanistin die musiktherapeutische Förderung von Kindern mit Legasthenie.
Vor der Ausbildung zur Diplom-Musiktherapeutin habe ich Lehramt für Musik, Katholische Religion und Theaterpädagogik für die Sekundarstufe I studiert. Ich habe in Schulen im Brennpunktmilieu mit Kindern und Jugendlichen Hip-Hop-Texte gedichtet, Samba- und Trommelgruppen und Stockkampf-Tanz gemacht, musikalisch frei improvisiert, eigene neue Spielideen entwickelt und an der Kommunikation gearbeitet.
Den Wechsel zwischen dem päda­gogischen und dem therapeutischen Setting empfinde ich als große Bereicherung. Auf der einen Seite gibt es den geschützten Raum, in dem der einzelne Mensch und seine individuelle Lebens- und Leidensgeschichte im Vordergrund stehen. Auf der anderen Seite steht die Herausforderung, mit immer heterogener werdenden Gruppen von MigrantInnen sowie Kindern aus sozial benachteiligten Kontexten zu arbeiten. Dadurch, dass ich beide Lebensbereiche der Kinder und Jugendlichen kenne, kann ich die Berichte der Lehrer und Erzieher realistisch einschätzen und kenne die verschiedenen Probleme und Sichtweisen.

Rahmenbedingungen und Konzeption der Ohrmuschel
Die Entwicklung meiner musiktherapeutischen Konzeption hängt eng mit meinen Erfahrungen im schulischen Kontext zusammen. Ich habe die Beo­bachtung gemacht, dass es in Gruppen oft einerseits sehr zurückhaltende und andererseits sehr temperamentvolle Menschen gibt. Die zurückhaltenden Menschen verschwinden oft in der Wahrnehmung der Gruppenleiterin, so dass man mitunter nicht einmal ihre Namen weiß. Die temperamentvollen Menschen prägen die Gruppenszenerie oft stark und irritieren manchmal, da die individuelle Wahrnehmung dieser zwei bis drei Menschen häufig die ganze Gruppe zu prägen scheint. Beide Gruppen haben wertvolle Kompetenzen. Die Zurückhaltenden haben eine gute Beobachtungsgabe, aber keinen Mut und keine Erfahrung, sich zu äußern. Die Temperamentvollen tragen häufig die ganze Verantwortung für die Gruppe, fühlen sich oft unter Druck, alles regeln zu müssen. Aus diesen Erfahrungen mit Jugendlichen habe ich das Konzept MuKomm – Musikalisches Kommunikationstraining entwickelt. Das erste MuKomm habe ich in der Hauptschule erprobt. Die Kinder und Jugendlichen verbesserten ihre Gefühlsregulation, übten Konflikt- und Streitsituationen, lernten sich in der Gruppe zu entspannen.
Im Austausch mit GrundschullehrerInnen habe ich die Rückmeldung bekommen, dass immer mehr hochindividualisierte Kinder in die Schule kommen, die keinerlei oder schlechte Gruppenkompetenzen haben und sich gegenseitig nicht helfen können, die Mühe haben, das Anderssein der Anderen zu akzeptieren. Daraufhin habe ich ein Gruppenangebot für Vorschulkinder zwischen vier und sechs Jahren entwickelt. Sechs bis acht Kinder treffen sich in einem Programm über 10 und 20 Wochen einmal pro Woche und arbeiten daran, ihre soziale und emotionale Kompetenz zu erweitern. Sie lernen, sich in einer neuen Gruppe zurechtzufinden, ihre Konzentration zu verbessern. Sie machen sprachliche Fortschritte, Fortschritte in der Fein- und Grobmotorik, werden in ihrer Selbstständigkeit angeregt, werden mit einem vielfältigen Repertoire an Liedern, Spielen und Tänzen in ihrer Gesamtpersönlichkeit gefördert und angeregt.
Das MuKomm-Programm biete ich mittlerweile auch in Gruppen mit Flüchtlingskindern an oder mit solchen Kindern, die in Bezug auf emotionale, soziale und sprachliche Bereiche als besonders förderungswürdig gelten.

Die Ohrmuschel von innen und von außen
Meine Praxis liegt in einem sehr ruhigen Hinterhof. Davor steht eine große Klanginstallation, die bei Wind schöne Töne erzeugt. Mir war wichtig, dass die 30 m2 große Praxis Ruhe und Klarheit ausstrahlt. Daher habe ich die meisten Instrumente hinter großen weißen Schranktüren versteckt. Im Therapieraum sind herkömmlich bekannte In­strumente wie Trommeln, Glockenspiele und Gitarren, aber auch ungewöhnliche Instrumente wie eine Lotusflöte, eine Schlitztrommel, ein Zupfpsalter, eine Sansula. Neben einem Klavier stehen noch zwei riesige Gongs, eine Klangwiege und ein Schlagzeug sichtbar im Raum. Einzelne Instrumente werden gezielt hervorgeholt, um sie in der Therapie zu nutzen.
In der musiktherapeutischen Beratung für Eltern mit Säuglingen oder Kleinkindern geht es unter anderem um Verhaltensauffälligkeiten, Sprachverzögerungen, sozialen Rückzug, Mutismus, Autismus, Hyperaktivität oder Mehrfachbehinderungen. Ab dem Alter von vier Jahren kommen die Kinder meist selbst zu mir, nehmen am MuKomm teil oder einzeln mit Themen wie Schulangst, Konzentrationsschwäche, Kommunikationsschwäche, Sprech- und Sprachstörungen, Verhaltensauffälligkeiten. Die erwachsenen Menschen kommen wegen depressiven Verstimmungen, Ängsten, Selbstfindungskrisen, Wahrnehmungsstörungen, körperlichen Beschwerden wie Migräne oder Tinnitus. Immer wieder habe ich auch Menschen in Behandlung, die im Wachkoma liegen oder dement sind.
Ich arbeite in meiner Praxis vorwiegend mit der freien Improvisation. Wenn Menschen bisher keinerlei Erfahrung damit hatten, klingt die Musik zu Beginn oft zart, schüchtern, tastend, später manchmal kess, herausfordernd, testend, selbstbewusst, eigensinnig. Es geht in erster Linie nicht darum, ein Instrument spielen zu lernen oder Musikstücke einzustudieren. Gespürte, gehörte und selbst gespielte Musik kann etwas in Bewegung bringen und dies kann befreien, verändern, heilen. Durch das Experimentieren mit einem Instrument, durch das Erzeugen von Klängen oder Rhythmen kann man sich öffnen, sich eigener Gefühle, Denkmuster oder Blockaden bewusst werden, Neues testen und Gegenimpulse setzen. Wenn ich mir vornehme, mutiger zu sein, dann kann ich das beim Musikmachen beispielhaft üben.

Erlebnisse aus meinem Berufsalltag
Ein Junge kommt neu in meine MuKomm-Gruppe. Er spricht bisher nur wenig Deutsch, ist aber sehr aufgeschlossen und neugierig. Er sitzt wie alle anderen Kinder auf einer „sicheren Insel“. Wir ruhen uns aus oder bewegen uns von der Insel weg, um mit den anderen zu spielen, zu tanzen, mit den Instrumenten Kontakt aufzunehmen. Der Junge erzählt mit brüchigen Worten, aber sehr eindeutig das Erlebnis eines Vierjährigen von der Flucht über das Wasser, bei dem Menschen gestorben sind und bei der sie auf einer Insel gestrandet sind. Dort waren Menschen, die sich um sie gekümmert haben. Dort gab es Edelsteine und er schliff sich bei nächster Gelegenheit aus einem Rohdiamanten ein Messer. Zum Ende der Reise beginnt er bei dem Spiel der Oceandrum bitterlich zu weinen. Wir trösten ihn mit einem Lied. Er sagt, wie froh er sei, hier auf festem Boden zu stehen.
Eine andere Situation bezieht sich auf eine Frau, die einen leichten Autismus und eine geistige Behinderung hat. Im Alltag eckt sie immer wieder mit Menschen an, da sie sich minderwertig und oft nicht verstanden fühlt. Allerdings hat diese Dame eine große Gabe, Musik zu machen und hört leidenschaftlich gerne klassische Musik. Dann treten alle sozialen Schwierigkeiten in den Hintergrund. Letzte Stunde war der Ärger darüber wieder besonders groß. Auf meinem Vorschlag hin wählt sie eine Musik aus, schließt die Augen, setzt sich bequem hin, genießt schmunzelnd und summend die Musik, erzählt hinterher von schönen Erinnerungen daran, dass sie mit 12 Jahren in Kroatien schwimmen gelernt hat und wie schön die Zeit war. Da war noch alles gut. Beim Musikhören hat die Klientin ein Selbstbewusstsein und eine Klarheit, die ihr manchmal im Alltag fehlt.

Zukunftspläne
Ich liebe die Arbeit mit den Menschen in meiner Praxis. Gerne würde ich noch mehr Gruppen zur freien Improvisation für Studierende, mit meiner Balintgruppe, mit jugendlichen Mädchen machen. Ich möchte weiterhin die Musiksprache pflegen, sei es mit Kindern mit dem Rett-Syndrom, Mutismus, William-Bourne-Syndrom, mit Frühgeborenen, mit Schreikindern. In diesem Frühjahr habe ich mein zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Eine Tanztherapeutin, die zu Besuch kam, fasste den Tag zusammen, indem sie sagte, der Ort der Ohrmuschel leiste einen Beitrag zum Frieden und zur Demokratieerziehung. Schön wär’s.

Die Autorin:

Anne Oeckinghaus
Diplom-Musiktherapeutin, Zertifizierte Musiktherapeutin DMtG, Heilpraktikerin (Psychotherapie), Lehrerin für Musik, Religion, Theater
Ohrmuschel Praxis für Musiktherapie, Hingbergstraße 118 c, 45470 Mülheim an der Ruhr, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.ohrmuschel-therapie.de

Musiktherapeutischer Klinikspaziergang

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Department für Psychische Erkrankungen, Uniklinikum Freiburg i. Br.

Von Sandra Wallmeier

Die Freiburger Psychosomatik – gegründet im Jahr 1949 – steht in einer langen Tradition. Unser Verständnis von Krankheiten und ihrer Behandlung nimmt die Wechselwirkungen körperlicher, psychischer und sozialer Einflüsse auf die Gesundheit wie auf die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten gleichermaßen in den Blick. Zu uns kommen Patienten mit Depressionen und Angststörungen, mit Essstörungen, mit vielfältigen körperlichen Beschwerden ohne erkennbare körperliche Ursache, mit übermäßigen berufsbedingten Belastungen (Burnout). Manche leiden an den Folgen einer Verletzung oder benötigen besondere Hilfe bei der Bewältigung einer körperlichen Erkrankung. Fachübergreifend eingebunden sind wir unter anderem in die Versorgung von Patienten mit Krebs, koronarer Herzkrankheit oder Herz- bzw. Lungentransplantationen.
In unseren ganzheitlichen Behandlungskonzepten berücksichtigen wir psychotherapeutische, körpermedizinische und sozialtherapeutische Ansätze. Dabei nutzen wir Methoden der psychodynamischen Therapien, der Systemtherapie (Paar- und Familientherapie) und der Verhaltenstherapie ebenso wie vielfältige körpertherapeutische, kreative oder meditative Verfahren.
Station Krehl
Die psychosomatische Behandlungsstation wurde bereits 1949 an der internistischen Abteilung des Freiburger Universitätsklinikums eingerichtet. Namensgeber ist der Heidelberger Internist Ludolf Krehl (1861–1937), der frühzeitig eine ganzheitliche Behandlung kranker Menschen forderte. Die Station Krehl bietet die Möglichkeit einer intensiven, multimodalen psychotherapeutisch-psychosomatischen Behandlung (mehrere Therapieansätze können gleichzeitig, sich gegenseitig ergänzend eingesetzt werden). In begrenztem Umfang stehen zusätzliche tagesklinische Behandlungsplätze auf unserer Station zur Verfügung, um die Behandlung zunächst stationär beginnen und ggf. später ohne Unterbrechung und unter Behandlungskontinuität tagesklinisch fortsetzen zu können.
Auf der Behandlungsstation stehen 20 Behandlungsplätze für Menschen mit psychischen und psychosomatischen Problemen zur Verfügung. Schwerpunkte bestehen in der Behandlung von somatoformen Störungen, Essstörungen, Depressionen und Zuständen nach schweren Belastungen. Die Behandlungsdauer umfasst in der Regel 6–12 Wochen.
Das Behandlungsprogramm umfasst folgende Elemente:
Einzelpsychotherapie (2 x pro Woche)
Interaktionelle Gruppentherapie (2 x pro Woche)
Konzentrative Bewegungstherapie als Gruppen- oder Einzelbehandlung
Gestaltungstherapie oder Musiktherapie (2 x pro Woche)
Symptomorientierte Gruppe, für Patienten mit körperlichen Beschwerden
Gruppe für Patienten mit Essstörungen
Familienrekonstruktionsgruppe
Entspannungstherapie
Atemtherapie
Paar- und Familiengespräche
Bezugspflege mit regelmäßigen Gesprächen
Ärztliche Visiten
Konsiliarische Vorstellungen an anderen Abteilungen
Sporttherapie
Physiotherapie
Sozialtherapie (inklusive Arbeitserprobungen) 
Naturheilkunde
Das Grundkonzept ist psychodynamisch sowie systemisch-familientherapeutisch orientiert und integriert je nach Krankheitsbild kognitiv-verhaltenstherapeutische Elemente. Die Anmeldung, Indikationsstellung und Beratung erfolgt über unsere Ambulanz. In Akut- und Krisenfällen können sich überweisende Ärzte auch direkt mit dem zuständigen Oberarzt oder dem Ärztlichen Direktor in Verbindung setzen.
Musiktherapie auf Station Krehl
Seit genau 20 Jahren wird auf Station Krehl Musiktherapie durchgeführt. Die Patienten werden gleich im Aufnahmegespräch für Gestaltungstherapie oder Musiktherapie angemeldet. Hier werden möglichst Neigungen, Vorerfahrungen und Wünsche der Patienten berücksichtigt. Musikalische Vorkenntnisse sind für die Behandlung nicht erforderlich!
Nach der Anmeldung für die Musiktherapie erfolgt zeitnah ein Vorgespräch bei der Musiktherapeutin und danach ein Einstieg entweder in die halboffene Musiktherapiegruppe mit bis zu sechs Teilnehmern oder ggf. einer musiktherapeutischen Einzel-Schmerzbehandlung.
Aktive Musiktherapie
in der Gruppe
Die Patienten sind selbst mit Instrument oder Stimme an der Therapie handelnd beteiligt. In der Regel spiele oder singe ich mit und bin dadurch in besonderer Weise affektiv eingebunden in das musikalische Geschehen. Zugleich versuche ich, rational und emotional wahrzunehmen und zu verstehen, was sich im musiktherapeutischen Prozess ereignet, und wenn nötig, hilfreich-steuernd einzugreifen. In der Aktiven Musiktherapie spielen Improvisationen eine große Rolle. Durch vorbereitende Absprachen kann die Aufmerksamkeit entweder stärker auf die Musik, ihre Form und ihr Material gelenkt werden oder z. B. mehr auf Tagtraumbilder und Einfälle, die durch das Improvisieren auftauchen. Es erfolgt eine verbale Einstimmung und ich biete im Anschluss die verbale Aufarbeitung des deutlich gewordenen Konfliktmaterials an.
Musik-imaginative Schmerz­behandlung
Die Musik-imaginative Schmerzbehandlung wird grundsätzlich als Einzeltherapie durchgeführt und umfasst drei bis fünf Sitzungen. Nach einem ausführlichen Schmerzinterview suchen wir nach Klängen und Geräuschen, die den Schmerz der Patienten so gut wie möglich widerspiegeln und solchen, die die Patienten als besonders angenehm und wohltuend empfinden. Anschließend gestalten wir daraus je eine individuelle Komposition für den Schmerz und für seine Linderung. Ich habe in der Kompositionsphase vorwiegend beratende Funktion bei der Auswahl der Instrumente, Töne und Rhythmen, denn sowohl bei der Komposition als auch in der folgenden Anwendung der Musiken entscheiden die Patienten, was für sie stimmig ist. In der Anwendungsphase spiele ich beide Musiken nacheinander. Sind die Kompositionen gelungen im Sinne eines erlebten Stimmig-Seins bei den Patienten, verspüren sie nach der Anspannung, die die Komposition Schmerz häufig auslöst, eine Erleichterung durch die Komposition Linderung. Abschließend erfolgt ein reflektierendes Nachgespräch, in dem auch die Möglichkeiten einer Weiterbehandlung erörtert werden. Die Wirkung der Musik-imaginativen Schmerzbehandlung zeigt sich vor allem in einer positiv veränderten Wahrnehmung der Schmerzqualität und Schmerzintensität bis hin zu dem Erleben von Schmerzfreiheit. Darüber hinaus hilft die Behandlung den Patienten, ihren Schmerz in komplexeren Zusammenhängen zu sehen. Auf Grund des spezifischen methodischen Vorgehens im Rahmen der Musik-imaginativen Schmerzbehandlung greifen bei dieser Behandlungsmethode unterschiedliche psychotherapeutische und neurophysiologische Wirkfaktoren ineinander.
Als Musiktherapeutin auf Station Krehl arbeite ich ca. 50 % meiner Arbeitszeit unmittelbar im Patientenkontakt. Die andere Hälfte der Arbeitszeit verbringe ich hauptsächlich mit dem multi-professionellen Team der Station, d. h. in Teambesprechungen, Fallbesprechungen und Supervision mit einem externen Supervisor. Selbstverständlich werden die Behandlungen nahtlos dokumentiert.
Außerdem sind zwei Mal im Jahr eine zweitägige Großgruppensupervision für die gesamte Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie obligatorisch sowie die Beteiligung der Fachtherapien an der Ausbildung junger Medizinstudenten im Rahmen von Workshops („Bedsideteaching“).
Einen eigenen Musiktherapieraum hat die Station bislang nicht. Musiktherapieräume, die sich auf dem Klinikgelände befinden, werden vom gesamten Department für psychische Erkrankungen (Psychiatrie und Psychosomatik) genutzt und sind von allen Patienten in wenigen Gehminuten erreichbar. Der Nachteil ist, dass ich weniger auf Station angetroffen werden kann und sich an manchen Tagen die wenigen Gehminuten für mich summieren. Andererseits genießen die Patienten oft auch den „Ausgang“ in die Musiktherapie. Die Themen in ein anderes Gebäude zu tragen, hat Vorteile, der Weg bringt etwas Abstand zum Stationsgeschehen. Das Klinikgelände grenzt direkt an den Botanischen Garten der Stadt Freiburg, in den sich ein Abstecher zu jeder Jahreszeit lohnt.
In den gemeinsam genutzten Räumen arbeite ich mit den fünf weiteren Musiktherapeuten des Departments zusammen an der musiktherapeutischen Konzeptualisierung und gewährleiste so die musiktherapeutische Versorgung des Departments.
Die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie organisiert Veranstaltungen in der Reihe Dienstagskolloquium „Körper – Seele – Geist“ (im Audimax) u. a. im Mai 2019 zum Thema „Mentalisieren in der Musiktherapie“.
Die Klinikkonzerte – Musik dargeboten von professionellen Ensembles – finden bis zu viermal jährlich statt. Sie verstehen sich als soziokulturelles Angebot, bei dem emotionale Erlebnisfähigkeit angeregt, Kontakte geknüpft und Kommunikation gefördert werden können.
Für Patienten der Station Krehl bietet eine Musiktherapiegruppe in meiner Praxis eine Möglichkeit der nachstationären gruppentherapeutischen Behandlung. Die Gruppe findet an zwei bis drei Terminen im Monat laufend statt.

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Hauptstraße 8
79104 Freiburg
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Die Autorin:

Sandra Wallmeier
geb. 1980
M.A., Dipl.-Musiktherapeutin (DMtG), Heilpraktikerin für Psychotherapie, seit 2006 Angestellte des Universitätsklinikums Freiburg, seit 2015 in eigener freier Praxis tätig sowie als lehrbeauftragte Dozentin und Musikerin.
www.sandrawallmeier.de