Praxisvorstellung

Praxisvorstellung

Praxis für Musiktherapie

Von Christoph Salje

1981
Krachend flog die Haustür auf – etwas zu heftig, aber mein Vormittag in der Schule war einfach zu doof gewesen! Meiner Mutter murmelte ich ein „Hallo“ in die Küche, während ich direkt in mein Zimmer stampfte, den Ranzen verächtlich in die Ecke schleuderte und die Tür hinter mir schloss. Voller Wut und Frustration über das Geschehen am Vormittag setzte ich mich ans Klavier und hämmerte auf die Tasten ein. Die lauten, schrägen Toncluster taten so gut! Bilder der letzten Stunden wechselten sich vor meinem inneren Auge ab und meine Finger lieferten am Klavier den dramatischen Soundtrack dazu. In die Erinnerungen mischten sich mit der Zeit immer neue Szenen, geschaffen in reiner Phantasie, verstärkt von meiner improvisierten Klaviermusik: Wie ich meine Lateinvokabeln nun doch plötzlich perfekt aufsagen konnte (weil ich sie vielleicht ernsthafter geübt habe?). Wie ich dem doofen Matthias in unserem Streit eben doch etwas richtig Starkes erwidern konnte, statt, wie in Wirklichkeit geschehen, zu verstummen. Wie ich im Sportunterricht so wie sonst eigentlich immer auch heute beim Bodenturnen den Handstandüberschlag sauber hingekriegt habe. Die Musik veränderte sich weiter unter meinen Händen, längst war sie ruhiger geworden, und nun wurde sie harmonischer, ja, sanfter. In ihr spiegelte sich die Veränderung in meinem Gemüt wider: Ich fand meinen Frieden mit mir selbst,
war beruhigter, weil ich spürte, dass ein Tag wie dieser auch anders verlaufen konnte, dass ich etwas anders machen konnte. Einzelne Töne klangen lang nach, gesellten sich zueinander zu Wohlklängen in der Unendlichkeit angehaltener Zeit.
Leises Klopfen an meiner Tür. Meine Mutter steckte vorsichtig den Kopf herein und meinte, dass wir nun wohl zu Mittag essen könnten. Sie kannte diese Situationen von mir.
Wie oft war es mir ein Bedürfnis, meine Emotionen erst einmal dem Klavier anzuvertrauen, bevor ich überhaupt richtig darüber reden konnte! Dabei war es beileibe nicht nur wütende Musik, die dabei entstand. Ganze Triumphmärsche und Jubellieder klangen mitunter durch das Haus! Oder auch Trauermusik oder Liebeslieder für den heimlichen Schwarm. Meine Musik aus dem Moment heraus war ebenso wichtig für mich wie vergänglich, sie verklang und hinterließ ihre Spuren in mir.

Musiktherapeut – ein Traumberuf für mich
Jahre später in der elften Klasse las ich von der Methode der Musiktherapie. Sofort verstand ich ihre Wirkweise und ihr Potential. Mein Vorhaben, Psychologie zu studieren, gab ich in diesem Moment auf, um nun ohne einen „Plan B“ diesen Beruf anzustreben.
Mein Studium der Musiktherapie habe ich ab 1992 in Heidelberg begonnen. Durch die studienintegrierten Praktika konnte ich bereits Kontakte
knüpfen, die sofort im Anschluss an das Studium zu einer Anstellung im „Institut für ambulante Heilpädagogik und Psychotherapie“ in Hamburg-
Harburg führten. Während der ersten Jahre meiner Berufstätigkeit lag mein Tätigkeitsschwerpunkt in der Arbeit mit verhaltensauffälligen und/oder entwicklungsverzögerten Kindern und Jugendlichen. In dieser Phase erwarb ich diverse Zusatzqualifikationen, neben einem musiktherapeutischen Entspannungstraining erlangte ich Zertifikate in Sensorischer Integration sowie Schmerztherapie. Auch meine Prüfung für die Zulassung als Heilpraktiker (Psychotherapie) legte ich in dieser Phase ab.
In dem Wunsch, mehr in der Nähe meines Wohnortes zu arbeiten, auch um Familie und Beruf besser zu vereinbaren, gründete ich 2004 die Praxis für Musiktherapie, die sich inzwischen in Hamburg-Eppendorf befindet.

Wie arbeite ich heute?
Mein Tätigkeitsschwerpunkt hat sich seitdem sehr verändert und ich arbeite überwiegend mit erwachsenen Patientinnen und Patienten mit verschiedenen Problemen: Menschen mit Lebenskrisen, die sie ohne Hilfe nicht bewältigen können, die mithilfe gezielter musikalischer Improvisationen nach neuen Handlungsoptionen suchen, eigene Ressourcen entdecken oder sich selbst emotional klarer verorten wollen. Dabei haben einige Probleme ihren Ursprung weit in der Frühzeit der eigenen Biographie, in einem Bereich, für den die Worte fehlen, das Erlebte dennoch schmerzlich präsent ist. Hier einen Ausdruck zu finden für all das Hässliche, Verletzende, Abwertende oder Überfordernde, für all das,
was einer Menschenseele widerfahren kann, ist der erste Schritt für eine gesunde Integration der Vergangenheit in den Lebenslauf. Im gemeinsamen Spiel mit mir als verlässlichen Partner oder auch mit mir in der Rolle einer zerstörerischen Kraft, die es früher einmal gab, und die in unserer Improvisation wieder lebendig und besiegbar werden kann.
Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen finden Linderung durch eine Kombination aus Entspannungsansätzen und psychischen
Bewältigungsstrategien, die sie individuell durch spezifische musikalische Interventionen entwickeln: Sie finden beispielsweise einen Klang für ihren Schmerz, können dieses Leiden hörbar machen – und wieder zum Verstummen bringen. Auf diese Weise kann der bzw. die Betroffene zunehmend auch im Alltag erleben, wie der Schmerz zumindest zum Teil kontrolliert werden kann, anstatt ihm ohnmächtig ausgeliefert zu sein.
Auch kommen Patientinnen und Patienten mit einer neurologischen Störung zu mir. Die Förderung von Sprache und Motorik in dem Freude
spendenden und motivierenden Medium Musik kann dann als Therapieziel gleichwertig neben der psychischen Stabilisierung nach einem plötzlichen Krankheitsereignis, wie z.B. nach einem Schlaganfall, stehen. Das Erleben von Selbstwirksamkeit und der hörbare Ausdruck eigener Gefühle trotz vielleicht eingeschränktem Sprechvermögen führen zu mehr Ausgeglichenheit und Zufriedenheit.

Offen für neue Impulse
Es war meine nebenberufliche Tätigkeit als Chorleiter, die 2009 fast zufällig zu einer Kooperation mit einem Hamburger Krankenhaus führte: Eine Sängerin arbeitete dort in der Verwaltung und war auf der Suche nach Wegen, die Behandlungsangebote auf der dortigen Palliativstation zu erweitern. Eine mehrwöchige Testphase mit einem musiktherapeutischen Angebot durch mich war rasch überzeugend für die medizinischen Kolleginnen und Kollegen wie auch für die Geschäftsführung: Die unheilbar kranken Menschen, die auf der Palliativstation wegen starker Symptome wie Schmerz, Übelkeit oder Luftnot behandelt wurden, profitierten in der Einzelmusiktherapie von individuell gestalteten Entspannungsangeboten zur Symptomlinderung sowie von stützenden Gesprächen im Rahmen der Krankheitsverarbeitung. Im aktiven musikalischen Spiel erlebten sie, die schwerstkrank oftmals äußerten „Ich bin nicht mehr ich selbst!“, nun wieder ein Gefühl von Autonomie und Selbstwirksamkeit: „Das bin ich also auch!?“ Durch die Musiktherapie konnte die Lebensqualität dieser Personen meist deutlich gesteigert werden.
In dieser Phase im auslaufenden ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends wurden in Hamburg mehrere neue Palliativstationen in Krankenhäusern eingerichtet und Hospize eröffnet. Durch Kontakte innerhalb der Palliative-Care-Szene entwickelte sich meine berufliche Ausrichtung so, dass ich mittlerweile mit den Palliativstationen dreier verschiedener Kliniken sowie einem Hospiz kooperiere. Es ist eine Tätigkeit, die mich immer wieder dankbar sein lässt, mit meiner Methode so unmittelbar tiefgreifend hilfreich sein zu können. Dieser Schwerpunkt bildet – ebenso wie meine Chöre – eine weitere wichtige Säule in meiner Beruflichkeit. Die dortige Teamarbeit ist ein ausgleichender Kontrast zu meiner Praxistätigkeit.

Probleme der Musiktherapie fordern Lösungen!
Diese inhaltliche Zufriedenheit in meinem Beruf ist umso wichtiger, als die Rahmenbedingungen nicht einfach sind, insbesondere vor dem Hintergrund der berufsrechtlichen Lage der Musiktherapie in Deutschland. Viele juristische Fragen sind für die Musiktherapie als Disziplin hierzulande ungeregelt. Vor allem die Tatsache, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine musiktherapeutische Behandlung nicht übernehmen können, ist ein stark limitierender Faktor: Nicht jeder, der von einer solchen Behandlung profitieren könnte, hat die Möglichkeit, sie auch zu erhalten. Aus diesem Grunde engagiere ich mich in meiner „Freizeit“ seit vielen Jahren berufspolitisch. In der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft, dem größten Interessenverband in Deutschland, setze ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen ehrenamtlich für berufsständische Fragen ein, entwickle Zukunftskonzepte für unsere Disziplin und arbeite an ihrer Anerkennung. In diesem Rahmen biete ich auch deutschlandweit Seminare für Mitglieder an. Ebenso wichtig ist mir die Förderung des Nachwuchses, weshalb ich
mit großer Freude Lehraufträge in den musiktherapeutischen Studiengängen in Heidelberg, Berlin und Hamburg erfülle.

Meine berufliche Heimat
Meine berufliche Heimat bleibt jedoch meine Praxis. Und die verändert sich in einem beständigen ruhigen Entwicklungsprozess. Neue Methoden
und Interventionen lerne ich in Fortbildungen, neue Erkenntnisse aus der Musiktherapieforschung fließen in meine Arbeit ein. Das Instrumentarium aus bekannten und ungewöhnlichen Instrumenten, mit Trommeln, Orff-Instrumenten und therapeutischen Neuentwicklungen ist über die Jahre stetig gewachsen. Ich liebe den Blick in den ruhigen Hinterhof mit dem Grün des angrenzenden Gartens – ein gern genutzter Kurzurlaub für das Auge bei leidiger Schreibtischarbeit.
Und immer wieder nehme ich nach Feierabend oder auch zwischen meinen Terminen ein Instrument zur Hand und spiele drauf los. Einfach für mich selbst, weil es mir guttut. So wie damals am Klavier in meinem Kinderzimmer.

Christoph Salje
Dipl. Musiktherapeut (FH)/DMtG, Heilpraktiker (Psychotherapie), Berufsständischer Beirat der DMtG
Lehraufträge:
Hochschule für Musik und Theater
Hamburg, Institut für Musiktherapie
Masterstudiengang Musiktherapie, Berlin
Career College, UdK Berlin
SRH Hochschule Heidelberg, Bachelor und Masterstudiengänge der Musiktherapie

Praxis für Musiktherapie
Erikastraße 100
20251 Hamburg
040 / 57 139 139
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.Musiktherapiepraxis.com