Praxisvorstellung

Heilpraxis für Psychotherapie & Beratung

Von Jakob Hommel

Nach beinahe vier Jahren musiktherapeutischer Arbeit in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Nähe von Leipzig und einigem Abrieb aufgrund der dort herrschenden systemischen Bedingungen, eröffnete ich im Januar 2021 meine eigene Praxis für Psychotherapie & Beratung gewissermaßen als ausgleichenden Kontrapunkt. Jetzt, ein knappes halbes Jahr danach, fühle ich mich in dieser neuen Funktion und neuem Selbstverständnis als Heilpraktiker für Psychotherapie pudelwohl. Zwei Praxisnachmittage runden meine Woche ab, glätten die Kanten des institutionellen Rahmens am Vormittag.
Zu Beginn war Musiktherapie in meiner Praxis jedoch nicht eingeplant. Ich wollte sie ursprünglich als therapeutischen Zugang nicht berücksichtigen. Wie kam es dazu? Ein Musiktherapeut ohne Musik? Um mich der Antwort auf diese Frage zu nähern, biete ich Ihnen im Rahmen dieser Rubrik nicht nur eine Vorstellung meiner Praxis an. Ich möchte Sie gerne an den Entwicklungen der letzten Jahre in der Klinik und den ersten sechs Monaten in eigener Praxis teilhaben lassen. Davor aber ein kurzes Kennenlernen:
Mein Name ist Jakob Hommel, ich bin 37 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Söhne. Bis 2012 studierte ich lang und ziellos Musikwissenschaft und Ethnologie in Halle an der Saale, bis mich die Bologna-Reform nicht nur zwang, die Freiräume des Magister-Studenten-Daseins aufzugeben, sondern mich mit meinen Zukunftsängsten auseinanderzusetzen. Das tat ich und lernte in diesem Zusammenhang, wie mir Musiktherapie – neben dem Gespräch, Kunst- und Körpertherapie – wiederum Freiräume ermöglichte. Seitdem entwickelte ich eine Liebe für die Kunst der Psychotherapie und beschloss, Musiktherapeut zu werden. Nach jeweils drei Jahren in Berlin und Friedensau, nach umfangreicher Gruppenselbsterfahrung, Leitungstraining, Zielgruppendidaktik, Statistik, zahlreichen Praktika, der Heilpraktiker-Erlaubnis und ersten Honorarstellen, zog ich 2016 wieder nach Halle – ohne Stelle, dafür aber mit Zweifeln. Zweifeln daran, ob dieses kleine Fach mich und meine Familie würde ernähren können.
Verschiedene Zufälle verschafften mir im November 2017 dann meine erste Festanstellung als Musiktherapeut in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik im Carl-von-Basedow-Klinikum Saalekreis in Merseburg. Es folgten Jahre reich an intensiven Erlebnissen und Herausforderungen. Den von mir als rigide erlebten systemischen Bedingungen stand eine große musiktherapeutische Spielwiese gegenüber, die ich gerne nutzte. Selbstverständlich ist Musik in der KJP ein idealer Zugang; sei es zur Alltagsrealität der jungen Menschen, in der Auseinandersetzung mit Bewältigungsstrategien und unmittelbarem Erleben von Ressourcen oder als Entlastungsangebot. Der Musiktherapieraum steht für mich als vielseitiger Proberaum. Mein Auftrag allerdings stand immer auch im Widerspruch zu meiner wachsenden
kreativen Herangehensweise, nämlich immer dann, wenn ich den Eindruck hatte, Musik sei nicht der ideale Zugang und ich Räume über bpsw. ein Rollenspiel, Geschichtenschreiben, Imaginationsreisen, Zeichnen oder Tanzen ermöglichte. Dem Utilisationsprinzip gemäß fühle ich mich ganz selbstverständlich dazu verpflichtet, das zu nutzen, was der junge Mensch mit in meinen Raum bringt. Die Weigerung eines Patienten, Musik zu machen, stellt nach Auffassung mancher klinischer Kollegen eine Therapieverweigerung dar und müsse besprochen werden. In den Zwängen der Psychiatrie aber nur einen weiteren Zwangskontext zu öffnen, ist mir fremd und so nutze ich andere Wege. Das passte nun nicht immer ganz zum Image der hiesigen Musiktherapie und den klinischen Erwartungen.
Mein Selbstverständnis hatte sich ohnehin entwickelt. Ich sah mich zunehmend nicht mehr nur als Musiktherapeut, als der ich schließlich angestellt war. Es entwickelte sich die immer intensivere Gewissheit: Ich brauche mehr Unabhängigkeit. Unabhängigkeit von der Vielzahl an mich umgebenden Haltungen, Erwartungen, der Atmosphäre und z.T. fragwürdigen Systemlogik der KJP und des Krankenhauses im Allgemeinen. Ein nicht unerheblicher Teil dieses Emanzipationsbedürfnisses resultierte aus der doch recht unterschiedlichen Auffassung darüber, wer in der Klinik legitime psychotherapeutische Arbeit leistet. Musiktherapie gilt in diesem Zusammenhang nur selten als ernst zu nehmende psychotherapeutische
Fachdisziplin. Zudem wollte ich freier in der Methodenwahl sein und mich nicht mehr nur allein über die musiktherapeutische Arbeit definieren.
Ein immer größer werdender Spagat – dabei bin ich nicht sehr gelenkig, eher zäh.
Zunächst reagierte ich auf Angebote, mein Aufgabenfeld innerhalb des Krankenhauses zu erweitern und arbeitete einige Stunden zusätzlich in der multimodalen Schmerztherapie mit Erwachsenen und bahnte Entwicklungen in Richtung Erwachsenenpsychosomatik und Palliativmedizin an. Trotz des deutlich positiven Feedbacks der Schmerzpatienten war eine Erweiterung und damit eine Emanzipation von der KJP nicht möglich. Ich
liebe das therapeutische Handwerk, die Vielfalt kreativer Interventionen und so begann ich, nachdem ich die Hypnosystemik als eine Art Zuhause
des therapeutischen Denkens und Handelns entdeckte, eine Ausbildung in hypnosystemischer Therapie. In die Arbeit mit Schmerzpatienten integrierte ich musikbegleitete Imaginationen und war nach jeder Therapie überrascht, wie schnell und unerwartet sich Veränderungen insbesondere bei somatischen Symptomen einstellten. Allerdings fehlten dadurch auch Stunden in der KJP und mit Beginn der Pandemie waren die Ausflüge in andere Bereiche ohnehin für beendet erklärt.
Ein Teil von mir war immer wieder auch frustriert darüber, so viel Zeit und Geld in die Musiktherapie-Ausbildung investiert zu haben und ich bedauerte, nicht Psychotherapeut geworden zu sein. Die Vorstellung, ein komplettes Psychologiestudium durchzuziehen und die Bedingungen der Approbationsausbildung schreckten mich jedoch davon ab, diese kräftezehrende Richtung einzuschlagen. Nicht zuletzt die Gewissheit, bereits leidenschaftlicher Praktiker zu sein, bestärkte mich, den Weg als Heilpraktiker für Psychotherapie zu gehen.
Im Mai 2020 meldete ich kurz entschlossen meine Praxis im Gesundheitsamt Halle an – mein erster emanzipatorischer Schritt in die Selbstständigkeit. Eine Freundin machte mich auf ein leer stehendes, günstiges Büro in ihrer Etage aufmerksam. Ich sagte schnell zu, die Bedingungen sind ideal. Auch ohne Klienten kann ich das große, helle Büro unterhalten. Neben 35h in der Klinik und der nahenden Geburt des zweiten Söhnchens organisierte ich die Internetseite, erlebte Aufregung aufgrund der ungewohnten Exposition durch Werbung, machte mir
Gedanken über die Honorargestaltung und Rechtliches. Vor allen Dingen genieße ich das Einrichten.
Konzeptionell definiere ich die Praxis als ‚systemisch‘. Musiktherapie findet nur am Rande Erwähnung auf meiner Internetseite. Freunden und Kollegen gegenüber erkläre ich, dass ich Musiktherapie auch aus „strategischen Gründen“ nicht in den Vordergrund stelle. Ende Dezember postete ich eine Eröffnungsmitteilung via facebook, es folgte eine unverhoffte Anfrage und im Januar 2021 startete ich offiziell, habe zwei Klienten und arbeite hypnosystemisch. Musikalisch wird es, wenn, dann auf sprachlich-metaphorischer Ebene. Zunächst fehlt mir nichts. Ich
bin damit beschäftigt, die neue Rolle zu erleben, zu reflektieren, Potentiale und Grenzen auszuloten. Im März folgt der erste jugendliche Klient, der mit mir seine Themen wie in einer Spotify-Playlist ordnet und hierarchisiert. Eine Woche später bezieht auch eine Akustikgitarre das Büro.
Der erste klare und auch dankbare Bezug zur Musiktherapie entstand aus einer sich langsam aber sicher redundant entwickelnden therapeutischen Situation im April. Die Gespräche folgten einem deutlichen Muster, die Offenlegung desselben ebenfalls. Ein Handeln abseits dieser Wege führte mich gedanklich direkt zu meinem Erfahrungsschatz aus der KJP: Musterunterbrechung, andere Wege gehen. Ich wich zu einer anderen Möglichkeit aus, erlebe den Gedanken aber nur zwei Wochen später erneut. Einem jungen Klienten, dessen intensive Beschäftigung mit einem Teil seiner Persönlichkeit viel Raum einnimmt, wollte ich durch musiktherapeutische Spielangebote neue Identifikationsräume bieten und erwarb ein Keyboard.
Am 16.6.2021 ist es soweit: Die ersten, frei improvisierten Töne erklingen in meiner Praxis. Ausgangspunkt ist das Gefühl eines Jugendlichen, immer alles richtig machen zu müssen. Dies setzte ihn massiv unter Druck, er litt unter Grübeln und einem geringen Selbstwertgefühl. Die körperliche Reaktion auf die Idee, gemeinsam ins musikalische Spiel zu kommen, ist intensiv. Am Keyboard sitzend, zögernd, äußert er das Gefühl, wie behindert zu sein. Kurze Reflexionen führen zum Vorschlag, gemeinsam das Stück „Ich mache jetzt mal alles falsch“ zu spielen. In der folgenden Spielphase sitzt ein anderer Mensch vor mir: Lustvoll spielt er spontan das, was die Hände eben gerade berühren, ich begleite auf
der Gitarre. Eine Seite von ihm genießt die spontanen Impulse, die andere traut dem Erleben nicht. Sein Fazit: Hört sich zwar nicht gut an, hat aber Spaß gemacht. Aus Unsinn wird Sinn – dem intelligenten Jungen fällt die Erkenntnis leicht: Mal sehen, das klappt doch bestimmt auch in anderen Bereichen.
Nach der Stunde denke ich, welch ein Luxus es doch ist, Musiktherapeut zu sein. Im Gegensatz zum Gespräch habe ich die Möglichkeit, mir einen
Ausschnitt aus dem angeregten Spiel aussuchen zu können, mit einer anschließenden Frage das Feld zu bestimmen, welches bearbeitet werden soll. Liegt der Fokus auf der Selbstwahrnehmung? Den Gefühlen in Bezogenheit zum Anderen? Oder ich kann, wie in diesem Beispiel, den Umgang mit dem Symptom spielerisch ändern. Wie bereits erwähnt, in den ersten fünf Sekunden ereignete sich Wesentliches: Wie komme ich ins Handeln in einer ungewissen, mich hemmenden Situation? Was kann ich außer der Vermeidung noch tun? Musiktherapie bedeutet häufig unmittelbare Konfrontation und Auseinandersetzung mit den eigenen Grenzen, Strategien und Ressourcen – kein Entrinnen. Sie bedeutet aber
eben auch spielerisch-lustvolle Erprobung von Alternativen, der musizierte Ernstfall im sicheren Proberaum. Sie lesen es vielleicht heraus: Es war nur konsequent, dass Musik auch in meine Privatpraxis Einzug hielt. Ich hatte sie als Sachzwang im Klinischen ein wenig satt, doch ist sie ein zu hilfreiches Medium, um ungenutzt zu bleiben. Nicht für jeden zu jedem Zeitpunkt. Nicht sofort, aber vielleicht gleich.
Wenn Sie diesen Text lesen, wird ein Vierteljahr seit den ersten Klängen eines Klienten in meiner Praxis vergangen sein. Ich bin gespannt darauf,
welche Erfahrungen und Klänge hinzugekommen sein werden. Wie würde ich dann meine Geschichte erzählen? Ganz sicher wäre Musik ein wesentlicher und hilfreicher Protagonist auf dem Weg zum Gesundsein.

Der Autor:
Jakob Hommel
Heilpraktiker für Psychotherapie, Hypnosystemischer Therapeut, Musiktherapeut
(DMtG zertifiziert)
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www.jakobhommel.de
Praxis für Psychotherapie & Beratung
Reilstraße 128
06114 Halle (Saale)